Kabul, Sommer 2005: In der afghanischen Hauptstadt beginnen die Proben zu einer Inszenierung, die in dieser Form der Zusammenarbeit dort bislang einmalig ist: Unter der Leitung der syrisch-kanadischen Regisseurin Corinne Jaber und mit der Finanzierung ausländischer Kulturinstitutionen studiert eine Gruppe afghanischer Schauspielerinnen und Schauspieler Shakespeares „Verlorene Liebesmüh“ ein. Der US-amerikanische Journalist und Entwicklungshelfer Stephen Landrigan und der afghanische Dolmetscher, Journalist und Koregisseur Qais Akbar Omar haben die Gruppe dabei begleitet. Ihr daraus entstandenes Buch „Shakespeare in Kabul“ dokumentiert den Inszenierungsprozess – angefangen bei den Schwierigkeiten der Übertragung des Textes von Farsi und Englisch in Dari bis hin zu den Gastspielen in afghanischen Provinzen. Doch viel mehr ist dieses Buch die Geschichte der Akteure und damit auch der jüngsten Geschichte Afghanistans. Wenige Publikationen vermögen es derzeit so eindrücklich, Einblicke in das alltägliche Leben des krisengeschüttelten Landes zu gewähren. Genau diese Momentaufnahmen sind es, die uns verstehen lassen, warum derzeit so vieles in der gut gemeinten Aufbauhilfe verkehrt läuft.
Ausländischen Kulturschaffenden fällt es oft schwer, sich in den afghanischen Rhythmus einzufinden. So kann es verwundern, dass Proben nicht vor 16 Uhr beginnen, da die meisten Schauspieler zum Broterwerb einem anderen Beruf nachgehen müssen. Die weiblichen Ensemblemitglieder haben jedoch vor Einbruch der Dunkelheit...