Magazin
Neues vom Hydratopyranthropos
Stephen Parker: Bertolt Brecht. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2018, 1030 Seiten, 58 EUR.
von Holger Teschke
Erschienen in: Theater der Zeit: Nino Haratischwili: Fürchtet den Frieden (10/2018)
„Gerade mal 27, aber über alle Maßen fragil, hatte Brecht einen Punkt erreicht, wo er sich eingestehen musste, dass er in Zukunft wie ein vernünftiger älterer Mann innerhalb selbst gewählter Grenzen zu leben hatte, dass er auf sein körperliches Wohlergehen aufpassen und seinen Intellekt weiterbilden musste, anstatt seinen wilden und gefährlichen Instinkten nachzugehen“, schreibt Stephen Parker über einen Wendepunkt in Brechts Leben im Sommer 1925 und fährt fort: „Kritiker und Biographen haben diesen entscheidenden Moment in Brechts Leben nicht angemessen erfassen können, weil ihnen die grundsätzliche Problematik von Brechts körperlichem Dilemma entgangen ist. (…) Probleme wie Brechts Aneignung des Marxismus, wichtig wie sie sind, hatten Vorrang vor der Frage, welche Konsequenzen sein problematisches Verhältnis zu seinem Körper auf seine geistige und künstlerische Entwicklung und auch auf seine Beziehung zu anderen Menschen hatte.“
Das ist die Kernthese dieser neuen Brecht-Biografie, und man fragt sich: Worin bestand denn Brechts Körperdilemma, das alle anderen Biografen übersehen haben und das angeblich so wichtig für sein Werk war wie der Marxismus? Parkers Antwort: Brecht hatte es schwer mit Herz und Nieren, und zwar sein ganzes Leben lang. Also Körperkrampf statt Klassenkampf? Eine postdramatische Lesart, um ein bisschen Aufsehen zu erregen und das Buch besser zu...