Spiele mit Zuschauern
von Ulrike Haß
Erschienen in: Kraftfeld Chor – Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek (01/2021)
Assoziationen: Theatergeschichte
Mit Beckett geht es um die Zeit nach 1945, wobei ich mich nur auf das, insbesondere von den Deutschen der Nachkriegszeit zwangs umarmte Stück Warten auf Godot stütze. Wladimir und Estragon bilden die Minimalversion eines Chors (mehr als einer) und werden als Chorfiguren gelesen, die sich von der erschöpften Figur des Protagonisten, der Arbeit und des Dienstes ums Ganze unterscheiden. Sie stehen am Beginn einer endlosen Serie anderer, nicht-familiärer, nicht-genealogischer Beziehungsweisen, die abermals als Chor zu beschreiben sind: Neither. Die Chiffre ‚nach 45‘ tritt dabei in Kontakt mit unserer Gegenwart. Zudem erben wir von Beckett her das Thema des Minoritären.
Am 5. Januar 1953 hat En attendant Godot in der Regie von Roger Blin Premiere im Pariser Théâtre de Babylone. Die mit sehr unterschiedlichen Reaktionen aufgenommene Aufführung erlangt durch eine Besprechung von Jean Anouilh in der Revue Arts besondere Aufmerksamkeit, die zu 153 weiteren Aufführungen führt und dem kleinen Théâtre de Babylone einen internationalen Erfolg beschert. In der BRD wird die Übersetzung im Suhrkamp Verlag durch Elmar Tophoven vorbereitet. Die deutsche Premiere findet am 8. September 1953 im Schloßpark-Theater unter dem Produktionstitel Wir warten auf Godot in der Regie von Karl-Heinz Stroux statt. Beckett wohnt der Premiere bei und ist...