ästhetik der sehnsucht
Erschienen in: Love Play Fight – Dein Neumarkt 2019-2025 (06/2025)

Eine Ästhetik der Sehnsucht ist eine Ästhetik der Abhängigkeit. Ihre handlungstreibende Antagonistin ist die drohende Abweisung. Diese kann sich in unterschiedlichsten Formen äussern; im mangelnden Kontakt, in der Unerreichbarkeit, im Liebesentzug, in jedem Falle aber in der Distanz zum Objekt der Begierde. Auf der Bühne formt ein reduziertes Vokabular an Gesten Identitäten. Die in Einzelteile zerlegten Körperbewegungen machen die eingeschriebenen Zwänge sichtbar. In «Unlearning Acts» ist es die Überwindung der eigenen Erzählung, eine aus 120 Wörtern gezimmerte Welt. In «The Lobster» tritt die Mechanik einer Kultur in den Vordergrund, die gemäss der These des Lobster-Kosmos die Liebe in unseren Breitengraden dominiert: der Wunsch nach Symmetrie. Nur wer dieselben Eigenschaften hat, ist ein Match. Jede Bewegung, jedes Wort ist eine Kopie einer bereits bestehenden Choreografie und doch schlummert in ihr stets die Möglichkeit der Mutation. So auch in «Her», wo eine AI, erst durch Liebeslieder gespiesen, in Beziehungen zu Menschen zu fühlen und zu lieben lernt. Zugleich handelt es sich hierbei um eine Ästhetik der Sehnsucht, welche Abhängigkeiten nicht per se verurteilt, sondern sie auch als Potenzial begreift: im Verwandt-Machen mit Mitstreiter:innen, im Glauben an den Aufbruch und die grosse Liebe.
«The Lobster» in der Regie von Maximilian Hanisch (Spielzeit 2021/22)...