Historische Entwicklungen
von Grit Köppen
Erschienen in: Recherchen 173: Dekoloniale Ästhetiken im zeitgenössischen Theater (05/2025)
Historische Entwicklungen
Theaterhistorisch sind Arbeiten frankophoner afrikanischer und afro-diasporischer Künstler:innen vom europäischen Kolonialismus geprägt. In diesem Kontext sind zwei Punkte für ein grundlegendes Verständnis zentral: erstens, Herrschafts- und Gewaltverhältnisse sind immer mit Widerstand gegen diese Verhältnisse einhergegangen von Personen, die unterdrückt, entmenschlicht und fetischisiert wurden. Zweitens, der Kolonialismus hat in sich – quasi systemisch – permanent Widersprüche produziert, die Auswirkungen auf die kolonialen und später postkolonialen Kulturpolitiken, aber auch auf die Kunstschaffenden hatten, die mit diesen Widersprüchen, Ambivalenzen und Strukturen umzugehen versuchten.
Es gibt einige – wenn auch wenige188 – regionalwissenschaftliche Untersuchungen zum frankophonen afrikanischen Theater, die die wesentlichen Transformationsprozesse innerhalb des historisch gewachsenen Kunstfeldes aufzeigen. Auffällig ist, dass der Forschungsstand zu vorkolonialen Theaterformen minimal ist. Der Theaterwissenschaftler Joachim Fiebach hat in den 1980er Jahren eine umfangreiche Studie unter dem Titel »Die Toten als die Macht der Lebenden: Zur Theorie und Geschichte von Theater in Afrika« veröffentlicht. Darin machte er deutlich, dass vorkoloniale theatrale Praktiken und Ästhetiken in afrikanischen Ländern stark in das Alltägliche, das Rituelle, das Repräsentationspolitische und das Gemeinschaftsbildende eingebunden waren. Ebenso trugen sie dazu bei Zeit, Raum und Machtverhältnisse sowie Statusunterschiede zu strukturieren.
Julius Heinicke betont, dass ästhetische Ansätze vehement auf parallel existierende –zeitliche, räumliche und...