Bühne – Zuschauerraum
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Natürlich haben Bühne und Zuschauerraum ein Verhältnis miteinander, manchmal auch gegeneinander. Die Bühnenhandlung verlässt das Podest und bewegt sich in einen anderen Raum. Der Zuschauerraum ist organisiert. Der Zuschauer sitzt geordnet und blickgerichtet, sehr begrenzt in seinen körperlichen Bewegungen. Er ist entgegennehmend eingestellt, zumeist für eine Leistung, für die er bezahlt hat. Er hält sich vor einem geöffneten Raum auf. Das Theater will etwas von dieser Begegnung, deshalb muss dieses Wollen den Arbeitsraum Bühne verlassen, auf den Weg gebracht werden. Es muss „unten“ ankommen. Eine Berührung von Geben und Nehmen will erreicht werden, eine Verbindung von zwei Qualitäten: Kunst-Raum und Lebens-Raum.
Hier soll nicht die Rede sein von den thematischen und formalen Angeboten der Bühne (die natürlich wichtig sind), sondern vom Transport szenischer Prozesse aus dem Bühnen- in den Zuschauerraum. Der Begriff „Transport“ ist bewusst technisch gewählt worden. Man beobachtet, dass sich zwischen Bühne und Saal eine Wand aufrichtet. Gemeint ist nicht die vierte Wand. Die war eine historische Erscheinung und hat sich theatergeschichtlich erledigt.
Man bemerkt diese Wand häufig bei Schlussproben. Aus dem Saal kommen keine begleitenden Bemerkungen des Spielleiters mehr. Vor der ausgeleuchteten Bühne steht die Beinahe-Finsternis des Saales. Die Konzentration der Spieler auf die szenischen Abläufe führt...