Ausland
Leeres Theater
Ein beunruhigender Report aus Belarus über die Situation der Theaterszene
von Kirill Maksudov
Erschienen in: Theater der Zeit: Oliver Bukowski: „Warten auf’n Bus“ (01/2022)
Assoziationen: Europa

Noch nie hat mir Theater so viel Freude und Schmerz bereitet wie im letzten Jahr. Außerdem verspüre ich Wut. Ein Jahr ist vergangen, und ich kann mich immer noch nicht beruhigen. Jedes Mal, wenn ich irgendwelche vernünftigen Argumentationen höre oder lese, wie man sich im August 2020 hätte verhalten sollen, wird meine Wut stärker. Weil ich mich an die innere Leere der ersten Woche nach den Wahlen erinnere, wo man nicht wusste, wie es Verwandten und Freunden geht, was mit einem selbst passieren wird, und keine Ahnung hatte, was man nun tun sollte. Leere wird sehr leicht von Angst und Verzweiflung ausgefüllt.
Ein Moment der Inspiration war der Appell der Künstler des Nationalen Janka-Kupala-Theaters in Minsk. Sie hatten sich in einem Moment zu einer politischen Äußerung entschlossen, als Schweigen weniger riskant war. Sicherlich hatten alle, die sich an diesem Appell beteiligten, unterschiedliche politische Ansichten. Was sie vereinte, waren ihr Zorn und ihre Verzweiflung. Sie redeten. Und für diejenigen, die sich nur durch Gewalt an der Macht halten können, war genau das am schlimmsten. Deshalb war die Reaktion so schnell und entschlossen, wie es nur ging.
In den Nachrichten hatten die Kupalaŭcy dazu aufgerufen, zum Theater zu kommen, wo ein Treffen...