Freie Szene
Spurenlesen
Mythen, Riten, Lieder und Tänze – kulturelle Vorstellungswelten in den zeitgenössischen Bühnenkünsten
von Gabriel Yépez
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Mexiko (03/2015)
Assoziationen: Nordamerika Musiktheater Tanz
Es gibt prädestinierte Orte, aus denen die Quellen des Lebens entstehen.
Antonin Artaud
Die Beziehungen, die zwischen den verschiedenen kulturellen Vorstellungswelten und der szenischen Schaffenswelt im zeitgenössischen Mexiko hergestellt werden, erweisen sich als hochkomplex. Denn es handelt sich hier um ein multikulturelles Land, das aus 68 unterschiedlichen Sprachgruppen besteht, die hauptsächlich in Bundesstaaten wie Chiapas, Guerrero, México, Puebla, Veracruz, Yucatán, Oaxaca und Hidalgo leben. Innerhalb der aktuellen Schaffenswelt der Bühnenkünste gibt es verschiedene Ansätze und Hybridisierungsversuche. Diese knüpfen unmittelbar an kulturelle Aspekte der erwähnten Regionen an und erschaffen durch diese Art der authentischen Verankerung einen Raum für Austausch und Dialog.
In dieser Hinsicht ist die Arbeit der Grupo teatral Tehuantepec aus Oaxaca im Bundestaat Oaxaca, geleitet von Marco Antonio Petriz, in der südmexikanischen Stadt Tehuantepec hervorzuheben. Der Gruppe ist die Bildung eines soliden Repertoires gelungen, das die Idee des teatro del entorno (Theater der Umgebung) pflegt, eines Theaters also, das in der Identität der Gemeinschaft verwurzelt ist. Die Theatermacher greifen dabei regionale Elemente einer kulturellen Idiosynkrasie auf wie Legenden, phantasmagorische Bilder und Geschlechterrollen in Bezug auf sexuelle Identität – wiederkehrende Themen in Werken wie „Ayer pasé por Tehuantepec“ (Gestern ging ich durch Tehuantepec), „La casa de enfrente“ (Das Haus gegenüber),...