Kennt man einen, kennt man alle. Wunderbar überschaubar wäre es, reagierten alle Menschen gleich. Wäre dies eine erstrebenswerte Gesellschaft? Ganz und gar nicht, schreibt der Soziologe Dirk Baecker. In der sechsten Folge unserer Reihe Theater und Moral erklärt der Systemtheoretiker, warum es gerade die Unvorhersehbarkeit menschlichen Verhaltens ist, die eine Gesellschaft stabilisiert. Erst ein System, das auf einen Input einen überraschenden Output ausspuckt, reagiert nicht trivial und liefert damit Informationen über sich selbst. „Die Künste“, schreibt Baecker, „haben in der Gesellschaft die in jeder Hinsicht unverzichtbare Funktion, Formate der Geselligkeit zu entwerfen, in denen diese Art von Nichttrivialität sich fast unwillkürlich anbietet, um mit den entsprechenden Situationen fertig zu werden.“
Im Seminar von Ivan Illich
1976 kommt es in Cuernavaca in Mexiko zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen Ivan Illich, dem Vordenker einer politischen Ökologie, und Heinz von Foerster, dem Begründer der Kybernetik zweiter Ordnung. Illich hielt ein Seminar zum Konzept der Gegenproduktivität, das einen zentralen Stellenwert in seinem Denken hat. Gegenproduktivität ergibt sich aus Prozessen der Institutionalisierung von Schulen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, die sich, je weiter sie sich entwickeln, umso mehr gegen ihre ursprünglichen Absichten wenden. Schulen verdummen, Krankenhäuser machen krank, Armeen vernichten, was sie verteidigen sollen, Behörden blockieren...