Lyrik
Verwandlung
An einen Schauspieler
Erschienen in: Theater der Zeit: Über den Surrealismus (01/1947)
Nicht einem, der ein Künstler, so wie dir
fiel zu das schwere Los, das schwerste hier:
zu sein ein Jedermann, ein Niemand drum;
du sprichst mit tausend Zungen, du bleibst stumm.
Der Dichter wandelt ab, was er erlebt;
dem Maler sich die Welt gewandelt hebt;
es tönt den Ton ein Meister anders her —
ein jeder bleibt, uns sichtbar, drum doch er.
Du aber, du, um Menschen zu gestalten,
darfst, Mensch wie sie, dir nichts von dir erhalten:
die Stimme, Gang, die Geste, Kleid, Gesicht —
du bist in hundert andern; du bist's nicht.
Je höher sonst gereift die Künste steigen,
je stärker gibt der Künstler, was sein eigen.
Je reifer du in deiner Welt, im Schein,
je mehr du schwindest, nichts denn der zu sein,
der ruft und schreitet, sinnt und schaut und handelt,
der doch nicht du, in den doch du verwandelt ...
Ich sah dich stehn vor einem Spiegel, lange;
du blicktest tief, durch ihn hindurch; und bange
von deinem Munde nicht die Frage wich:
heut' dieser, morgen der, — wer bin nun ich? ....
Was Glut in deinem Herzen, hoher Flug,
Gedanke, Geist, von dir ein andrer trug;
ob Liebe ihn, ob ihn der Haß umschwebte...