1. Institution
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
Assoziationen: Dossier: Tarife & Theater
Fast jede Stadt im deutschsprachigen Raum mit 100000 Einwohnern und mehr hat ein subventioniertes Theater. Der historische Ursprung dieser umfangreichen kommunalen Kultur liegt in der Kleinstaaterei einer »verspäteten Nation«. Zuerst wollte jeder Provinzfürst neben seinem Miniatur-Versailles auch ein Hoftheater haben. Etwas später begann das aufstrebende Bürgertum, das Theater als öffentlichen Raum seiner Emanzipation und Selbstvergewisserung zu entdecken. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert setzte sich dieser Wunsch mit wachsendem Wohlstand in immer neuen Theatergründungen und imposanten Theaterbauten um. Hatte Lessings Entreprise eines bürgerlichen Theaters in Hamburg noch nach wenigen Monaten Konkurs anmelden müssen, weil der Spielplan zu literarisch war – er spielte zu viele deutsche und zu wenige französische Dramen –, so wurde wenige Jahrzehnte später das Stadttheater zum Erfolgsmodell einer bürgerlichen Öffentlichkeit.
Die Theatergebäude, die im 19. Jahrhundert in großer Zahl gebaut wurden, stehen bis heute im Zentrum der Städte. Ihr Prunk, ihre Gestaltung der Zuschauerräume und das Verhältnis zur Bühne sind der steinerne Ausdruck dieses Selbstbewusstseins, in dem der Geist des »Theaters« gebannt, der bis heute angerufen wird, wenn für »das« Theater gekämpft wird. Der Querschnitt der Opéra Garnier in Paris zeigt beeindruckend die Gewichtung der Zuschauerinteressen. Ein Drittel des gesamten Gebäudes nehmen die repräsentativen Treppenhäuser und Foyers ein. Ein...