Die 1960er und 1970er Jahre
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die 1960er Jahre sind eine einzigartige Schlüsselphase für Bewegungen des Theaters seit dem späten 19. Jahrhundert, vielleicht eine der wichtigsten seiner Geschichten überhaupt. Ermöglicht und gefördert durch die exponentiell wachsenden praktischen Kommunikationswege und sich international verzahnende weltpolitische Prozesse bildete sich gleichsam eine globale Kette neuer darstellerisch-kommunikativer und philosophisch-weltanschaulich bedeutsamer Theaterformen, die im Wesentlichen aus lokalen Interessen erwuchsen und diese bedienen sollten, sich zugleich aber auch auf einander bezogen, ein Vorgang, der zu der Vielfalt theoretisch unendlicher Gestaltungsvarianten, mit denen Theaterkunst lokal-regional und auf internationalen Festivals heute operiert, führte.
Seit Ende der 1950er Jahre begann der tendenziell weltweite Prozess, in dem sich Theater, wie ich es sehe, dauerhaft von den Fesseln spezifischer kultureller Normierungnen befreit und das in den je gegebenen historischen Kontexten ganze gestalterisch-kommunikative Potenzial zu realisieren sucht. Theater verhält sich zu vorgefundenen Materialien, insbesondere den traditionellen Literaturvorgaben, frei, eingreifend, verändernd, sofern es solche überhaupt als einen Bezugs- oder Ausgangspunkt wählt, und es integriert tendenziell unbegrenzt beliebte Phänomene der soziokulturellen Wirklichkeit in seine Kunst. Seine sinnlichen Gestalten (Formen) sind in permanenter Bewegung. Konkrete Produktionen könnten als jeweils andere Glieder einer gleichsam unendlichen Reihe ständiger Veränderungen (Experimente) gelesen werden.
Montagen und Collagen sind vielleicht die charakteristischen künstlerischen Strukturen, auch wenn jene...