Magazin
Leserbrief
Anmerkung zur Kolumne von Josef Bierbichler in TdZ 4/2016
Erschienen in: Theater der Zeit: Isabelle Huppert: Exklusiv im Gespräch (06/2016)
Sepp Bierbichlers behutsames Ausbreiten der Fragestellung, warum die den Münchner Kammerspielen angegliederte Schauspielschule nach Otto Falckenberg benannt worden ist, hat mir sehr gefallen. Gerade deshalb hat mich die Pointe des letzten Satzes seiner Ausführungen verstört.
Zwar hat Gustaf Gründgens in seiner Antrittsrede am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg 1955 vor dem Ensemble erklärt, dass ihn die Berufung an das Staatliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin 1934 völlig unvorbereitet getroffen habe und er aus Verantwortungsgefühl, an das man bei ihm appelliert habe, darauf eingegangen sei. Liest man jedoch in dem von Peter Suhrkamp 1953 herausgegebenen Band „Wirklichkeit des Theaters“ die Rede nach, die Gründgens 1932 unter dem Titel „Zur Situation des Schauspielers“ gehalten hat, stellt man mit Erschrecken fest, dass seine Entscheidung für die sich abzeichnende neue Ordnung längst gefallen war. Er positioniert sich darin gegen Max Reinhardt, der gerade seiner Bitte entsprochen hatte, seinen seit 1928 laufenden Vertrag aufzulösen. Als Hauptargument benutzt er den Hinweis auf die Entfremdung zwischen Theater und eigentlichem Leben, was in der Öffentlichkeit damals intellektuelle (wenn nicht jüdische) Zersetzung hieß: „Wo sind die Führer, denen die Schau- spieler sich anvertrauen können?“ Das Signal war eindeutig.
1944 aber bestätigte Gründgens sich und seinen Getreuen als ihre eigentliche Leistung...