Harald Welzers „Wir sind die Mehrheit. Für eine Offene Gesellschaft“ reiht sich im Guten wie im Schlechten in einen Schwung von Neuerscheinungen ein, die in den vordersten Regalen im Buchladen oder, wie bei Welzer, sogar im Drogeriemarkt feilgeboten werden. Im Guten, weil sich gegen den Kampf wider „die Feinde der Freiheit“ (Welzer) nichts sagen lässt. Im Schlechten jedoch, weil sich dieses selbstverständliche Anliegen in einem Appell ausdrückt, der einen fragwürdigen Alarmismus bedient und so Gefahr läuft, ins Banale zu driften. Welzers Duktus, eine Mischung aus offiziösem Wissenschaftler und markigen Worten, hilft dabei nicht weiter.
Die „Offene Gesellschaft“ funktioniere uneingeschränkt, so Welzer, denn seit siebzig Jahren herrsche bei uns Frieden, alle Krisen seien bewältigt, ohne dass die gesellschaftliche Ordnung selbst infrage gestanden hätte; mehr noch: Deutschland sei das beliebteste Land weltweit. Das wirkt konstruiert, und gerade die Gründe für die Beliebtheit zerfließen dabei. Wenn Welzer vom Hier und Jetzt ausgeht, verstrickt er sich in eine allzu affirmative nationale Perspektive. Viele Zeitgenossen der letzten siebzig Jahre werden eben auch andere Erinnerungen haben – an den Kalten Krieg, die Angst vor der Atombombe oder soziale Kämpfe um die Teilhabe, zum Beispiel von Frauen. Und auch auf den heutigen Reichtum Deutschlands dürfte man in...