Linker Populismus, einfach kompliziert
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Welche Schlüsse soll man daraus ziehen, dass im Bundestag der Untergang des Abendlandes beschworen wird, wenn der Hartz-IV-Satz um einige Euro erhöht werden soll, es aber nur wenige Stunden dauert, um Milliarden für eine Bankenrettung zu bewilligen? Wieso bedeutet die allseits geforderte Flexibilität, die als Wundermittel der Wirtschaft gepriesen wird, für einen Großteil der Menschen vor allem prekäre Arbeitsverhältnisse? Wie soll man Freiheit verteidigen, wenn damit vor allem die Freiheit des Kapitals und seiner Eigentümer gemeint ist, während für alle anderen Freiheit bedeutet, keine Solidarität mehr zu erfahren? Was für eine Freiheit ist überhaupt gemeint, wenn das Geld gerade zum Überleben reicht und die Lebenszeit mit eintöniger Arbeit aufgebraucht wird? Was für eine Gleichheit ist gemeint, wenn fünfzig Prozent des Gewinns in die Taschen von einem Prozent fließen und eine Handvoll der reichsten Menschen so viel besitzt wie die ärmste Hälfte der Menschheit?
Die Zeit scheint günstig, um das aus der Balance geratene System anzugreifen. Oder wie es der US-amerikanische Ökonom Robert B. Reich auf den Punkt bringt: „Wir müssen eine gemeinsame Bewegung schaffen, die Rechte und Linke zusammenbringt, um die reiche Elite zu bekämpfen.“35 Denn eine positive Wirkung hat jede populistische Bewegung in der aktuellen Lage, egal ob...