Die 1980er Jahre
Mediales Quidproquo: Kapitalistischer Realismus
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Botho Strauß charakterisierte 1981 den gewandelten historischen Kontext an eigenen alltäglichen Erlebnissen. Er war mit einer Schar von Hausbesetzern und ihren Freunden zum Wittenbergplatz in Berlin gelaufen, bedrängt von der Polizei. Immer mehr Menschen schlossen sich an. Man wollte zum Kottbusser Tor. Strauß kehrte um, ging als Einzelner in die entgegengesetzte Richtung. „In Strömen kommen sie mir noch entgegen […]. Mit und ohne Wut gegen die Macht, ein einziges einigendes Gefühl.“ Die Bürger denken, sie werden ihre Häuser stürmen, besetzen, Haus und Daheim, ihr Eigenstes wäre in Gefahr. „Nicht der Staat, wer ist das schon? Ich traue indessen auch keinem dieser Mitläufer. Und doch, wären sie nicht, wäre keine Bewegung, kein Gegensatz – also kein Sinn.“ Zuviel sei in den letzten Jahren unaufgebrochen geblieben „und ins Private gelenkt worden. Aber wenn man schon einige nicht unbedeutende Staatsfeinde zu Staatsdienern hat sehen werden, ist man nicht mehr so übertrieben hoffnungsfroh.“241 Unsere heutige Erlebniswelt ist „voll von Ambivalenz und Doppelbindung, sinnlicher „Meinungsvielfalt“ und von einem „ungeheuerlichen medialen Quidproquo“. Das erschwert die Arbeit am Drama, das „schiere Gegenüber zweier widersprüchlicher Positionen auf dem Theater“ wird zu einer extrem wirklichkeitsfremden Herausforderung.242
Mit dem europäischen Wohlfahrtsstaat und – zunächst – der Weiterführung der...