Theater der Zeit

Einblicke

„Antigone“ in Leichter Sprache

Ein Gespräch zu Fragen der Übersetzung

Im Februar 2023 haben die Münchner Kammerspielen eine Fassung von „Antigone“ in Leichter Sprache zur Uraufführung gebracht (Regie Nele Jahnke). Erstmals wurde ein antikes Drama in Leichte Sprache übersetzt und in einer inklusiven Besetzung aufgeführt. Kritik und Zuschauende waren sich zur Premiere gleichermaßen uneins: Ist das bloß ein gut gemeintes, aber nicht gut gemachtes Zielgruppenexperiment, das den Klassiker um seine Sprache beraubt? Oder: Ist es ein beglückendes Erlebnis, die Philologenbrille im Etui lassen zu können? Diese Kontroverse war Anlass für ein Gespräch mit dem Philologen Prof. Markus Janka und der Übesetzerin Anne Leichtfuß am 18. November 2023 in den Münchner Kammerspielen, von dem hier ein Ausschnitt abgedruckt ist.

von Anne Leichtfuß, Olivia Ebert und Markus Janka

Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: All Abled Arts – Notizen zu Inklusion an einem Stadttheater (06/2024)

Assoziationen: Dossier: Inklusion Münchner Kammerspiele

Frangiskos Kakoulakis in „Anti·gone“
Frangiskos Kakoulakis in „Anti·gone“Foto: Judith Buss

Olivia Ebert: Anne Leichtfuß, Sie sagen: „Jeder schwierige Inhalt kann in Leichte Sprache übersetzt werden.“ Was ist überhaupt Leichte Sprache und welchen Regeln folgt sie?

Anne Leichtfuß: Entstanden ist sie, weil Menschen gesagt haben: Es gibt zu viele Dinge, die wir nicht verstehen, um in der Demokratie mitbestimmen zu können. Und um mitreden und mitdenken zu können, muss ich die Dinge verstehen. Deshalb braucht es eine Reform der deutschen Sprache. Die Regeln der Leichten Sprache besagen zum Beispiel, dass ich nur kurze Sätze und nur Hauptsätze mache. Jeder Satz hat fünf bis acht Worte und schwere Begriffe werden erklärt. Also, Verständlichkeit ist das Ziel.

Herr Janka, Sie sind Gräzist und Hochschullehrer. Sie haben aber auch schon als Lehrer an Gymnasien unterrichtet. Gab es Momente in Ihrer Unterrichtslaufbahn, in denen Sie sich eine Fassung von einem antiken Text in Leichter Sprache gewünscht hätten?

Markus Janka: Gar nicht nur gewünscht, die gibt es schon. So gibt es etwa in Lehrbüchern Kurzfassungen griechischer Theaterstücke in vergleichsweise leichtem Latein. Die antiken Texte sind ja im besten Sinne Klassiker. Sie haben den verschiedensten Epochen, Kulturkreisen und Rezipienten etwas gesagt, sodass es zu den unterschiedlichsten Fassungen gekommen ist und kommt. Wir als Philologen sind Liebhaber des...

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