Die Oper steht vor einem Dilemma: Wir beschäftigen uns mit einem immer enger werdenden Repertoire mittels ästhetischer Strategien, die an ihr Ende gekommen zu sein scheinen. Das innovative Moment, Opern immerfort auf der Ebene der Narration neu zu interpretieren und zu übermalen, ist in sein Gegenteil gekippt. Hören wir auf, den Leichnam zu schminken. Wo das Regietheater in der Kollision von Werken und zeitgenössischen Themen lange ein Antrieb war, Sehgewohnheiten zu verschieben und die Werke einer neuen Erfahrung zu öffnen, ist die aktualisierende Regie heute selbst zur erwartbaren Konvention geworden und stellt eine Sackgasse dar. Die Zitrone ist ausgepresst, wir drücken zum zehnten Mal die Schale durch. Das Problem ist dabei nicht nur die Zitrone, sondern dass es nur noch Zitronen gibt, dass die ästhetischen Mittel der Oper uniform in Erscheinung treten und keine kritische Diskussion um neue Möglichkeiten der Darstellung entsteht. Gleichzeitig ist das Problem der zeitgenössischen Oper nicht gelöst, und die meisten Opernhäuser drücken sich darum, das Problem zu lösen. Dabei will, kann und muss die Oper eine Kunstform sein, in der die Gesellschaft der Gegenwart in ihren Schmerzpunkten erfahrbar wird.
Das Regietheater war auch eine Reaktion auf die mangelnde zeitgenössische Produktion. Der schmerzlich fehlende Zeitbezug konnte nur...