Magazin
Der andere Raum
Tim Schuster: Räume, Denken. Das Theater René Polleschs und Laurent Chétouanes. Neofelis Verlag, Berlin 2013, 350 S., 26,00 EUR.
Erschienen in: Theater der Zeit: Robert Wilson: Göttliche Monster (03/2014)
Die häufig zu Unrecht als schrilles Poptheater rezipierten Inszenierungen René Polleschs und die zuweilen als ikonoklastisch missverstandenen, äußerst reduziert arbeitenden Inszenierungen Laurent Chétouanes sind zwei auf den ersten Blick einander entgegengesetzte Theaterformen. Für Tim Schuster ist jedoch den beiden so unterschiedlichen Theatermachern eine Befragung der theatralen Darstellungsmechanismen gemeinsam, die das Raumparadigma fokussiert. Der Raum des Theaters ist keine Konstante der Darstellung, sondern muss selbst auf dem Theater erzeugt werden, was beide Regisseure in ihrem selbstreflexiven Theater zeigen. Mit dieser Themensetzung greift Schuster eine Theoriedebatte auf, die grob unter dem Stichwort „Neuentdeckung des Raums“ skizziert werden kann. Der Theaterraum, der bei Schuster immer auch als Utopie angesprochen wird, könne die Blackbox-Situation nur hinter sich lassen, wenn die wechselseitige Abhängigkeit von Körper, Raum, Bewegung und Sprache wirklich ernst genommen und konkretisiert werde. Im sogenannten „traditionellen Theater“, das sich unreflektiert in der ererbten Form des Guckkastens eingerichtet hat, seien naturalisierte Darstellungsdispositive am Werk, welche „die Körper und mit ihnen den Raum auf ihre Bildhaftigkeit und ihren Zei- chencharakter“ reduzierten. Indem das Theater jedoch durch das Spiel mit diesen Dispositiven geeignet sei, diese selbst aufzuzeigen und infrage zu stellen, könne es zum Ort der Dekonstruktion von überkommenen Wahrnehmungsdispositiven werden. Szenische Praktiken, die dies intendieren...