Ja, man wird aufatmen dürfen: Guillaume Paoli traut sich, das Mainstream-Narrativ der kulturellen Vielfalt zur Diskussion zu stellen, die Identität! Der vormalige Hausphilosoph am Centraltheater Leipzig hat jüngst wieder einen gedankenreichen Essay vorgelegt, der seinem Publikum eine Reise in ein Universum „sonderbeleuchteter Erscheinungen der Jetztzeit“ anbietet. Dabei folgt der Müßiggangster und Demotivationstrainer den Konzepten großer Erzählungen, wie sie im Fernsehen oder in Großstädten als „Lange Nacht der …“ in Mode sind. In letzteren sind es öffentliche Kultureinrichtungen wie Museen, die zu solchen Events periodisch einladen. Zugleich sind die großen Erzählungen das identitätspolitische Hinterland, das zunehmend auf das Theater übergreift.
Dieses Hinterland ist es, das assoziativ die dicht gedrängten Episoden und persönlichen Erinnerungen begleitet, durch die uns Paoli an seinem Leben teilhaben lässt. Wir wechseln mit ihm die Schauplätze durch die Zeiten hindurch, sind einmal Mitte der 1990er Jahre in Süd-Yorkshire bei dem früheren Bergarbeiter John, dessen Sohn Alan die Familientradition des rituellen Revoltierens gegen den Vater einfach nicht vollziehen will. Ein anderes Mal sind wir mit der Bin-Laden-Gruppe in Mekka, die Mitte der siebziger Jahre die heilige Stadt in ein Disneyland umbaut und dabei die zur Zeit des Propheten errichtete Bilal-Moschee zerstört. Wir begegnen einer Vielzahl solcher Mutationen – von...