internationales dramatiker*innenlabor „out of sight“
Gemeinsam drauf scheißen
„Gratulation / Abitur“ von Dalia Taha
von Theresa Luise Gindlstrasser
Erschienen in: Theater der Zeit: Volksbühne Neu (11/2021)
Assoziationen: Dramatik
Hiba, Deema und Lama, die drei Protagonistinnen in Dalia Tahas Theaterstück „Graduation / Abitur“, sind siebzehn Jahre alt. Kurz vor ihrem Schulabschluss begehen sie einen Akt des Aufbegehrens, „starten eine Revolution“ und unterbrechen den Fortgang der Zeit mit einem zu sechs aufeinanderfolgenden Szenen ausgedehnten Moment. „Gleicher Ort. Gleiche Zeit. Unmittelbar danach“, heißt es in den Regieanweisungen. Die 1986 in Berlin geborene und in Ramallah aufgewachsene Autorin Dalia Taha begibt sich mit ihren Protagonistinnen in diesen revolutionären Moment hinein. Entreißt ihn dem Vergessen und behauptet einen Möglichkeitsraum, in dem alles infrage gestellt werden kann, einer, der sich gegen sein eigenes Verschwinden in der Erzählung einer von wirk lichen Entscheidungen geprägten, konsequent in eine Richtung verlaufenden Biografie behauptet.
Bei allem Aufbegehren bleibt ein Rückzieher möglich. Oder mit Deemas Worten: „Los, wir gehen nach Hause. Wir kommen in die Schule. Morgen. Schreiben unsere Prüfungen. Wir flirten mit Jungs. Wir machen unser Abi. Wir lassen das alles hinter uns.“ Eine ausgesprochen prekäre Situation. Schließlich wird das Schänden der Fahne – Hiba, Deema und Lama reißen sie herunter und scheißen darauf – mit einem Jahr Gefängnis oder 10 000 Dollar Strafe geahndet. Und auch mit dem Verlust der Krankenversicherung und des Rechts auf Hochschulbildung bestraft....