Auftritt
Theater Bonn: Auf der roten Zungenrutsche
„Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ nach dem Roman von Yade Yasemin Önder (UA) – Regie Emel Aydoğdu, Bühne und Kostüme Eva Lochner, Choreografie Emmanuel Edoror
von Stefan Keim
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Theaterkritiken Theater Bonn
Sechs Arme und ein Auge hat das große Spielzeugmonster. Aus seinem Maul ragt eine rote Zunge, auf der man rutschen kann. Das Bühnenbild schafft die perfekte Grundstimmung für die Theaterfassung des Romans „Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“. Yade Yasmin Önder erzählt darin eine surreale, harte und hochkomische Geschichte des Erwachsenwerdens. Die Literaturkritik hat das Buch im vergangenen Jahr gefeiert, nun hat die Regisseurin Emel Aydoğdu eine respektvoll dem faszinierend fragmentarischem Roman folgende Bühnenfassung erarbeitet.
Mit einer eigenartigen Mischung aus Naivität, Distanz und Staunen erzählt Yade Yasmin Önder von einem namenlosen Kind türkisch-deutscher Eltern. Als das Mädchen acht Jahre alt ist, stirbt der Vater beim Versuch, ihr eine Schaukel zu bauen. Er zerhäckselt sich selbst mit der Kettensäge, sie steht daneben und kotzt. Heftiger kann eine Situation kaum sein, doch die Autorin macht daraus ein kleines Sprachkunstwerk, Splatterpoesie. Es gibt sie oft, diese Momente, in denen die Erzählerin überfordert ist, keine klaren Gefühle benennen kann, die Emotionen wegzudrücken, in Sprache zu fassen versucht. Und sie damit erst recht nicht aus dem Kopf kriegt.
Zwei Schauspielerinnen (Roxana Safarabadi und Imke Siebert) und ein Schauspieler (Jacob Z. Eckstein) teilen sich den assoziativen Text, der von Bulimie und Körperbildern, einer verdrehten Mutter-Tochter-Beziehung...
Erschienen am 21.11.2023
