Innerlich hirnwütig fiebernd und äußerlich durch ein grausam absurdes Dasein hetzend, derart büchnerkonform entwickelt Schauspieler Sebastian Nakajew seine Interpretation des Soldaten Franz Woyzeck am Schauspiel Hannover und zeigt die wohlbekannt geknechtete Kreatur, die keine Chance hat und auch keine bekommt in ihrem Kampf um ein bisschen Respekt und Leben. Aber das Martyrium eines multifunktional devoten Minijobbers bleibt als Verkörperung der Erwerbsarmut in unserem neoliberalen System ungenutzt, die Klassenfrage außen vor, eine historische oder politische Verortung der Quälgeister Woyzecks spielt keine Rolle.
Regisseurin Lilja Rupprecht konzentriert sich in ihrer textlichen Kurzfassung auf Woyzecks emotionale Überforderung, seine psychische Not und philosophische Verlorenheit. Kündet er doch von der Hohlheit der Welt, der alle metaphysischen Optionen ausgetrieben wurden. Aber die Aufführung ermöglicht auch Assoziationen, den Protagonisten als aktuelles Pandemieopfer zu sehen: Drangsaliert, ja, geradezu hospitalisiert durch die Unmöglichkeit von Nähe lechzt er in der Isolation seines Denkens nach Koordinaten der Verortung in der Welt, nach Berührung mit ihr. Name und biografische Fakten bleiben aber seine einzigen Haltepunkte, die brüllt er immer wieder seiner Angst entgegen, sich komplett selbst zu verlieren, und haut zudem peinvolle Klischees aus sich heraus, die er unter „Ich bin ein Mann!“ subsumiert. Gefangen wirkt dieser Woyzeck in seinen kreiselnden Gedanken-,...