Ein Möbelstück im Raum
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Die leere Bühne ist kein leichter Raum, für den ungeübten Darsteller ein schwerer. Was nicht heißt, dass man sie vollstellen sollte. Aber wie wäre es beispielsweise mit – einer Bank. Zuerst sammelt man, was diese Bank kann. Ein Spielwert wird hergestellt. Die Bank an verschiedenen Orten im Raum betrachtet. Dann sind die Spieler zu einzelnen Bankaktionen aufgefordert, z. B.: Wie transportiert man sie?, Wann sitzt man wo und wie auf ihr?, oder warum setzt man sich nicht? Was kann man nicht mit einer Bank machen? Oder: Die Bank ist alles, nur nicht Bank!
Stanislawski und Nemirowitsch-Dantschenko, die russischen Theatermacher, verwandelten manchmal eine Bank zum Nachtzug von Moskau nach Petersburg. Sie setzten sich auf eine gewöhnliche Holzbank und fuhren ab. Während der Reise diskutierten sie aktuelle Theaterprobleme. Von Zeit zu Zeit riefen sie Stationen aus, und die Köchin brachte ihnen kleine ortsübliche Imbisse oder einen Wodka. Der Schauspieler Stanislawski spielte Szenen an und ließ sie von seinem Mitreisenden beurteilen. Meistens aber schafften sie nur die Hinreise, und sie mussten auf der Bank übernachten.
Ich sah unlängst eine Inszenierung, deren Grundeinfall war, dass die Spieler auf einer langen Bank an einer langen Wand sitzen und nicht einmal aufstehen dürfen. Die Zuschauer warteten...