Kabarett als erste Theatererfahrung
von Burghart Klaußner und Thomas Irmer
Erschienen in: backstage: KLAUSSNER (09/2019)
Kabarett war überhaupt in Westberlin eine Spezialität, als aus dieser krisenhaften Frontstadtmentalität und dem berüchtigten Berliner Witz mit Schnauze so etwas Eigenes entstand, das in Wolfgang Neuss, dem Mann mit der Pauke, vielleicht seinen Höhepunkt erlebte.
Neuss war natürlich wesentlich weiter links angesiedelt und deshalb in diesen bürgerlichen Kreisen erstmal nicht vorhanden. Als Kind hat man Neuss nicht verstanden. Als Kind liebte ich vor allem Imitationen von Politikern im Radio, die auf das Verschiedenartige der Stimmen setzten, sowie einzelne, zum Teil auch von Komikern der Vorkriegszeit entworfene Tableaus: kleine Hörstücke mit verstellten Stimmen. Dies alles übte eine große Faszination auf mich aus. Radio war und ist für mich bis heute das Topmedium.
Wurzelte der robuste Antikommunismus darin, dass Ihr Vater aus einer vermögenden Schicht stammte, oder lag es eher an der Frontstadt Berlin, wo die erhitzte Sensibilität an dieser Weltgrenze im Kalten Krieg besonders ausgeprägt war?
Ich glaube, die Herkunft aus dem besitzenden Bürgertum spielte die geringste Rolle. Die Hauptrolle spielten in erster Linie die russischen Befreier – wie man ja heute sagen muss –, die aber im Zuge dieser Befreiung sich auch Verbrechen haben zuschulden kommen lassen. Dies war im Bewusstsein absolut gegenwärtig: die Vergewaltigungen, und vor allem dann...