Sowjetunion
Theater in Georgien
Erkundungen und Erlebnisse in Tbilissi
von Peter Reichel
Erschienen in: Theater der Zeit: Wandlungen der theater-ästhetischen Tendenz bei der Erbaneignung (07/1977)
Assoziationen: Europa Dossier: Georgien
Sie arbeiten in ein und demselben Gebäude: die führende Bühne der Georgischen SSR, das Rustaweli-Theater, und die Theaterhochschule der Republik. Das scheint symptomatisch zu sein. Noch dazu wenn man weiß, daß sich dieses Gebäude im Herzen der Georgischen Metropole Tbilissi befindet, an einem der zentralen Boulevards voller Leben, Verkehr und Betriebsamkeit. Nur wenige Schritte entfernt begegnet man in Ausstellungsräumen den Originalen des auch bei uns bekannten Malers Pirosmani, trifft man auf Zeugnisse einer jahrtausendealten Architektur und hört den nicht ohne Stolz gesprochenen Hinweis, daß die Denkmäler des georgischen Theaters zurückreichen bis ins Altertum, ins 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung . Kunst, Kultur, Theater - sie spielen hier eine wesentliche, aber durchaus selbstverständliche Rolle im öffentlichen Leben.
Nun verläuft das Zusammenwirken von Jungen und Alten, von Theaterpraxis und Theatertheorie, von Ausbildung und beruflicher Tätigkeit, von Theater und Gesellschaft keineswegs völlig reibungslos. Vielmehr bilden hier Tradition und Kraft zu ständiger Erneuerung eine sehr glückliche Einheit. Die führenden Theater der Hauptstadt verdanken ihre Gründung durchweg der Auseinandersetzung mit Überkommenem und der Absicht, neue Wege zu beschreiten. Auf diese Weise entstand 1922 das Rustaweli-Theater mit der Übernahme der Leitung und Regie durch Mardshanischwili; seine erste Inszenierung (Lope de Vegas FUENTE OVEJUNA) wurde stilbildend ...