Theater der Zeit

Grenzgänge – 13 neue Kurzstücke – geschrieben für das Schauspielhaus Graz

Paranoia

Kurzdrama für eine Stimme und einen vollen Saal. Fürs Grazer Eröffnungsspektakel

von Philipp Löhle

Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)

Assoziationen: Dramatik Schweiz

Sehr geehrte Damen und Herren, Das Schauspielhaus Graz heißt Sie herzlich willkommen. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend, viel Spaß und gute Unterhaltung. Wir bitten Sie ausdrücklich, Ihre mobilen Geräte eingeschaltet zu lassen. Nur so ist es uns möglich, etwas über Sie und Ihr Verhalten heute Abend zu erfahren. Danke schön.
(Kurze Pause) Tun Sie nicht so verwundert. Das wussten Sie doch. Glauben Sie denn wirklich, Sie sind hier nur einfach so? Anonym? In der Masse? Im Dunkeln? He he. Ist doch noch gar nicht dunkel. Meinen Sie denn, meine Stimme kommt vom Band? Eingesprochen von einem Schauspieler? Wie naiv! „Schauspieler reden immer so exaltiert.“ Ich rede aber ganz normal. Und ... Sehen Sie den Mann, der da aufgestanden ist?
(Da ist tatsächlich ein älterer Herr aufgestanden.) Wo der wohl hinwill? Na, nochmal kurz aufs Klo, ja?
(Der Mann nickt entschuldigend.) Gut, in dem Alter kann man es eben nicht mehr so halten, was?
(Der Mann zuckt mit den Schultern, schält sich durch die Reihe und geht raus.) Sehen Sie.
(Kurze Pause.) Ich kann Sie sehen. Ich. Kann. Sie. Seeeeeeheeeeen! Haaaaaallllooooo. Haaaaaaaaaaaalllloooooooooo. gilligilligilli schnippischnippischnippi buuuuuuuuoooooooaaaaaaargghhh (Kurze Pause.) Unheimlich, was? Ja, ja, schauen Sie sich ruhig um. Aber Sie werden mich...

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