Jelena riskiert ihre eigene Gesundheit, als sie sich um Cholerakranke kümmert. Mit der selbstlosen Frau des Chemikers Protassow klammerte sich der russische Dramatiker Maxim Gorki im Stück „Kinder der Sonne“ krampfhaft an ein positives Menschenbild. Doch seine Wirklichkeit sah ganz anders aus. Den Text, der tragische und komische Elemente verknüpft, schrieb der Literat 1905 im Kerker der Peter-und-Pauls-Festung in Sankt Petersburg. Nach dem sogenannten Blutsonntag kam er, wie viele andere, in Haft. Damals schlugen Militärs eine friedliche Demonstration von Arbeitern auf dem Weg zum Winterpalast nieder. Die Soldaten des Zarenreichs erschossen bei dieser Kundgebung im vorrevolutionären Russland Hunderte Menschen. Und die Intellektuellen sahen tatenlos zu.
Gorkis Wut über das Versagen der Gelehrten ist in der Tragikomödie herauszulesen. Die Menschen, die einander fremd bleiben, verbindet das Schicksal einer schrecklichen Epidemie. Regisseur Otto Kukla reduziert das sperrige Stück am Theater Baden-Baden konsequent auf die Konflikte zwischen Intellektuellen. Seine Inszenierung basiert auf der arg gestrafften Fassung der Dramaturgin Sonja Anders, ins Deutsche übertragen von Ulrike Zemme. 2010 hatte Regisseur Stefan Kimmig diese Version am Deutschen Theater in Berlin in Szene gesetzt. Obwohl diese aktuelle Fassung die soziale Tiefenschärfe des Textes verwischt, gelingen Kukla mit dem Ensemble starke Charakterstudien. Annie Lenk hat moderne, zeitlose...