Entwicklung von Beziehungen: Szenische Anfänge
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
1
Da sitzt eine auf einer Bank. Sie hat einen Stuhl gekauft. Ein Fremder setzt sich dazu. Der hat den gleichen Stuhl gekauft. Wie kommen sie sich näher? Vielleicht durch eine Ungleichheit? Was trennt sie? Haltungen?
2
Es sitzen zwei Einsame mit zwei Einkaufstüten auf einer Bank. Ein Dialog entsteht aus dem Inhalt der Tüten. Drei Dinge, die vorher nicht benannt und nicht vorgezeigt werden, sind das Material für ein Gespräch. Die Beziehung entwickelt sich aus den Tüten.
3
Ein motz-Verkäufer steht unter der S-Bahnbrücke Frankfurter Allee. Er hält die Zeitung in Brusthöhe, manchmal etwas höher, fast vor dem Gesicht, manchmal tiefer. Er spricht nicht, fordert nicht zum Kauf auf. Er steht da und wartet darauf, dass man zu ihm kommt. Er bietet nicht an, biedert sich nicht an, er schaut nicht an. Man kann die Verkaufsabsicht nur ahnen.
Weiter: Eine Spielerin, die mit der Grundhaltung der „Verständnisvollen“, tritt zu ihm und zeigt natürlich Verständnis. Soziales, menschliches, politisches, finanzielles Verständnis. Durchaus ernst zu nehmendes Verständnis. Aber vielleicht zu viel auf einmal, zu sozialanalytisch oder einfach nur zu bemüht.
Eine „Beraterin“, eine weitere Grundhaltung, macht Vorschläge zur Verbesserung der Verkaufschancen. Schlägt Texte vor, Haltungs- und Ortsveränderungen, sie „macht“ vor. Sie...