Theater der Zeit

Wie viel Europa steckt in einem Menschen?

Zur Entstehung und Konzeption von „Hausbesuch Europa“ von Rimini Protokoll

von Katja Hagedorn

Erschienen in: Recherchen 131: Vorstellung Europa – Performing Europe – Interdisziplinäre Perspektiven auf Europa im Theater der Gegenwart (04/2017)

Assoziationen: Wissenschaft Freie Szene Rimini Protokoll Hebbel am Ufer (HAU)

Probenfoto Hausbesuch Europa, 2014. Planspielanordnung in einer Berliner Privatwohnung. Foto: Rimini Protokoll"
Probenfoto „Hausbesuch Europa“, 2014. Planspielanordnung in einer Berliner Privatwohnung.Foto: Rimini Protokoll

Wir leben in einem Europa ohne Europäer. Man hat die mögliche Katastrophe Europas aus der Perspektive der Wirtschaft, der politischen Institutionen, der Regierungen, des Rechts analysiert, aber nicht aus der Perspektive des Individuums. Was heißt Europa für den einzelnen Menschen, was bindet den Einzelnen an Europa? Ist es nicht verwunderlich, dass diese Frage nach dem gelebten Europa so gut wie gar nicht vorkommt? Wir haben das abstrakte Haus der europäischen Institutionen, aber die Zimmer dieses Hauses sind menschenleer.1

Am 6. Mai 2015 hatte Haubesuch Europa von Rimini Protokoll am Hebbel am Ufer in Berlin Premiere. Seitdem tourt die Inszenierung durch Europa. Dabei versucht Hausbesuch Europa im wahrsten Sinne des Wortes, die von Ulrich Beck oben erwähnten Zimmer des europäischen Hauses zu füllen, indem die Aufführung ihre Zuschauer in immer neuen Städten in Privatwohnungen versammelt. Das besondere Format, in dem Hausbesuch Europa seit 2015 zu sehen ist (15 Zuschauer spielen in einem Wohnzimmer einer Privatwohnung ein Spiel miteinander, das ihre persönlichen Geschichten und die Mechanismen des politischen Europas miteinander verzahnt), ist das Ergebnis eines ungefähr zweijährigen Entwicklungsprozesses, von dem man sagen kann, dass in seinem Verlauf in bemerkenswert viele Richtungen recherchiert wurde und ungewöhnlich viele künstlerische Konzepte entwickelt, getestet ...

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