Eine junge Frau wird zum Sündenbock. Sophia Platz spielt sie am Rostocker Volkstheater mit aller radikalen Jugendlichkeit, die sich zu empören weiß. Wer ist diese Grete Minde? Theodor Fontane fand sie als historische Vorlage für seine Erzählung von 1879 in Tangermünde am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Die Stadt steht in Flammen, Brandstiftung. Nur eine kann das gewesen sein, diese Tochter einer Katholikin mit dem dunkel-flammenden Blick, der direkt aus der Hölle zu kommen scheint.
Fontane hat ein Talent dafür, Frauengeschichten zu erzählen, von Effi Briest bis Jenny Treibel. Es sind Frauen jenseits des klassischen Opfer-Täter-Schemas, stark und schwach zugleich, unruhevoll Getriebene, die an den Rand der Gesellschaft geraten. Grete Minde würden andere Autoren vielleicht zu einer Art Jeanne d'Arc stilisieren, sie in eine Passionsgeschichte stellen. Bei Fontane hat sie dafür zu viele Brüche, er zeichnet einen ungereimten Charakter, der mit der Prosa der Kleinstadtverhältnisse kollidiert. Es geht um herrschende Lieblosigkeit, Missgunst und bittere Rache. Fontane hat dabei das engherzige Regiment vor Augen, das das Deutsche Reich von 1870 führte, mitsamt dem Kulturkampf des protestantischen Preußens gegen das katholische Bayern. Die Katholiken sind uns fremd, sie sind tückisch und eine latente Gefahr!, so die Berliner Propaganda dieser Jahre. Fontane dagegen erzählt...