Theater der Zeit

Look Out

Wie ein getriebener Narr

Der Jenaer Schauspieler Leander Gerdes lässt in seinen Figuren eine anarchische Komik der Verzweiflung entstehen

von Sebastian Schulze Jolles

Erschienen in: Theater der Zeit: Bruder Karamasow – Frank Castorf über Russland (02/2016)

Auf Umwegen ist Leander Gerdes zur Schauspielerei gekommen. So ging seinem Studium an der Schauspielschule in Bochum eine Orientierungsphase voraus: Callcenter, Rettungswagen fahren und der Versuch, Naturwissenschaften zu studieren. Er sagt, dass er „Erfahrung braucht, um als Schauspieler zu reüssieren“. Die Entscheidung, nach Abschluss der Schauspielschule 2014 ans Theaterhaus Jena zu gehen, gründete in dem Wunsch, „viele und große Rollen zu spielen“. Außerdem habe ihm die Atmosphäre und das Kollektiv am Theaterhaus gefallen.

Seine erste Rolle war dann auch gleich der Michael Kohlhaas in Kleists gleichnamiger Novelle. Mit fahriger Präzision treibt Leander Gerdes durch die Szenerie. Merkwürdig unbehaust sind seine Figuren. Heimatlos, aber nachdenklich, zaghaft introvertiert, dennoch zupackend. „Die Lust“, so meint Leander Gerdes, „ist der Motor.“ Respekt vor der Rolle überwindet er durch das totale „Hineinwerfen“ in dieselbe. Auch in der vorletzten Produktion des Theaterhauses Jena, Franz Kafkas „Amerika“-Fragment, glänzt er als Karl Roßmann. Der nach einem bürgerlichen Eklat Verstoßene strandet im prosperierenden Amerika der 1910er Jahre. Gerdes’ spielerischer Ansatz wird sogleich offenbar. Ein Parforceritt durch die Gefühle und Haltungen kennzeichnet sein Rollenverständnis. Arglos ist sein Roßmann, unsicher und infantil. Gleichsam intensiv ist sein Spiel, und das ohne laut zu werden. So entsteht in seinen Figuren eine unausweichliche Komik...

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