Sprechen im digitalen Zeitalter
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Assoziationen: Dossier: Digitales Theater
Parrhesia können wir uns ausgehend vom Kommunikationsverhalten im digitalen Zeitalter fast nicht mehr vorstellen. Kommunikation scheint bezogen auf die immense Fülle an Informationen, auf die wir in immer kürzerer Zeit zugreifen können, auf Schlagwörter reduzierbar. Google erklärt uns die Welt und ist immer zur Hand. Wahrheit ist relativ geworden, Fakten haben ihre Alternativen. Die Wahrheit des einen muss noch lange nicht die Wahrheit der anderen sein. Mit dem Standpunkt des Betrachters wechselt auch die Wahrheit, die nur noch eine gefühlte ist. Aber auch den Gefühlen kann man nicht mehr trauen, wenn sie im zunehmenden Kommunizieren via Smartphone lediglich als Emoticons daherkommen. Es wird zunehmend mittelbar kommuniziert. Komplexe, sich rasant entwickelnde, aber leicht bedienbare Technik schiebt sich zwischen die Körper, die für die Kommunikation scheinbar nicht mehr gebraucht werden. Talking Heads plappern sich körperlos durch den Äther und informieren die Welt via Facebook und Twitter, WhatsApp, WeChat und Instagram über jede Belanglosigkeit ihres persönlichen Lebens. Der körperliche Aufwand, der betrieben werden muss, um zu kommunizieren, verringert sich, während sich die Möglichkeiten zu kommunizieren erweitern. Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski spricht von der zweiten Gutenberg-Revolution, die wir gerade erleben. Die Erfindung des modernen Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um das Jahr 1450 revolutionierte die...