Mitte der neunziger Jahre zeigte das Theater im nordfränkischen Hof nicht eben Vereinigungseuphorie. Die aufdringlichen Fusionsanfragen der finanziell notleidenden Bühne im dreißig Kilometer entfernten vogtländischen Plauen verhallten ungehört. Im Wendejubeljahr dreißig Jahre nach dem Mauerfall aber macht sich Hof verdient um die kritische Betrachtung hartnäckiger Ost-West-Ressentiments. Nicht mit einer Uraufführung, sondern mit der Wiederentdeckung des Vorwendestücks eines Autors, der ebenfalls eine unbefangene Relektüre verdiente.
Als Botho Strauß 1988 seine „Besucher“ schrieb, galt er noch als Liebling des deutschen Feuilletons. Das änderte sich mit seinem nach Blut und Boden dampfenden Essay „Anschwellender Bocksgesang“ 1993 schlagartig. Seither gilt Strauß als Vordenker der Neuen Rechten mit ihren Nationalkomplexen und Entwurzelungsproblemen und wird kaum noch gespielt. Im Fall der „Besucher“ gewiss zu Unrecht. Denn das Stück handelt auf mehreren Ebenen vom später beschriebenen Krieg zwischen den „Kräften des Hergebrachten und denen des ständigen Fortbringens“, nimmt also den Stoff des umstrittenen „Bocksgesangs“ vorweg. Deshalb und wegen der unverändert mühsamen Einheitsbeschwörungen 31 Jahre nach der Uraufführung ist es verblüffend aktuell.
Strauß lässt damals schon ein doppeltes Unbehagen erkennen. Er karikiert geradezu den Prototypen des erhabenen Staatsschauspielers, der unfehlbaren Eminenz des einzig wahren und möglichen Theaters, also des Althergebrachten. Dieser Karl Joseph wird von Volker Ringe im...