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Risse in der Mauer der Postdramatik
Ein Symposium im Brecht-Haus in Berlin erörtert die „Zukunft des Dramas“
von Marc Pommerening
Erschienen in: Theater der Zeit: Alles außer gewöhnlich – Die Schauspielerin Jana Schulz (03/2017)
Die Postdramatik hat gesiegt. Ihre Impresarios wurden zu Intendanten großer Häuser, kürzlich noch erfolgreiche Dramatiker emigrierten in die Epik oder flohen zum Fernsehen, ja, die Jury des Theatertreffens verwies 2016 stolz darauf, dass kein einziges zeitgenössisches Drama mehr Grundlage einer eingeladenen Inszenierung gewesen sei. Wenn also, in trotzigem Optimismus, ein Symposium die „Zukunft des Dramas“ zu erörtern verspricht, zeigen dessen Veranstalter Haltung und bringen sich bewusst in Stellung gegen die Attacken der Postdramatik, die auch Angriffe der Gegenwart auf die übrige Zeit, auf Utopie und Überlieferung sind. Nicht allein die selbstbewusste Ankündigung der dreitägigen Veranstaltung, die jetzt im Brecht-Haus in Berlin-Mitte stattfand, auch dessen hochkarätige Besetzung zeigten, dass die wie zementiert anmutenden Gewissheiten der letzten Jahre jäh in Bewegung geraten sind und sich im postdramatischen Beton erste, wenn auch zarte Risse zeigen.
Mit Wolfgang Engler, der den Begriff des Authentischen problematisiert, und Bernd Stegemann, der den scheinbaren Avantgardismus als neoliberale Staatskunst entlarvt hat, sind zwei exponierte Gegner der Postdramatik unter den Teilnehmern. Und es ist nur folgerichtig, dass die Gegenbewegung von der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ausgeht, wo Engler wie Stegemann lehren, denn eine weiter fortschreitende Auflösung mimetischer Spielvereinbarungen entzöge dem Spiel den Boden und jeder klassischen Schauspielausbildung die...