Theater der Zeit

Kolumne

Zum Kaffee bei Karl Liebknecht

Klassiker & Agitprop: Der 93-jährige Schauspieler Horst Schulze

von Ralph Hammerthaler

Erschienen in: Theater der Zeit: System startet neu – Über den Einbruch der Performance in die Oper (11/2014)

Assoziationen: Debatte

So ein Treffen gibt es nicht alle Tage. Und ich muss gestehen, etwas aufgeregt bin ich schon. Erst mit der S-Bahn, dann mit der Tram, dann mit dem Kleinbus fahr ich hinaus nach Alt-Schmöckwitz. In Gedanken spiele ich durch, was ich weiß von der Theorie, von der Praxis. Wird er mich nach meinem Standpunkt fragen? Steh ich fest oder schwanke ich? Wird er mich, einen Zergrübler und Zweifler, überhaupt hereinlassen? Am Ende der ungeteerten Straße befindet sich das Haus mit der Nr. 1, direkt am Wasser. Ich atme tief durch, dann drück ich die Klingel. Ich warte, dass Karl Liebknecht die Tür aufmacht.

Horst Schulze, inzwischen 93, ist Karl Liebknecht, in beiden Filmen der DEFA, „Solange Leben in mir ist“ (1965) und „Trotz alledem!“ (1972). Geschrieben von Michael Tschesno-Hell, sind sie von Günter Reisch inszeniert worden.

Er geht am Stock durchs Wohnzimmer zu einer Sitzecke. Er platziert mich so, dass ich aufs Wasser schauen kann. Der Tisch ist gedeckt, Kaffee und Kuchen. Ich denk an sein Nein! im Reichstag, allein gegen alle und vor allem die SPD, sein Nein! gegen die Kriegskredite. Ja, sagt er, bitte greifen Sie zu.

In Kleinmachnow gab es damals eine Parteischule, und die Filmemacher erkannten...

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