Den richtigen Ton finden
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Der stille Raum kann hergestellt werden oder einfach vorhanden sein. Doch zuerst wird man die Frage beantworten müssen: Was ist Stille? Man weiß, dass Stille nicht Ruhe ist. „Still ruht der See …“ Aber ist Stille Lautlosigkeit? Die gibt es nicht, sagen die Akustiker. Stille ist nicht die Abwesenheit von Tönen, sondern eine Empfindung. Man vermisst in ihr nicht etwas, sondern bekommt etwas: eine besondere Beziehung zu seiner Umgebung und ihrer Wahrnehmung, eine andere Aufmerksamkeit, einen anderen Aufenthalt und die Erkenntnis, dass Stille auch über Bewegung erkannt werden kann. Der See ruht still.
In diese Stille, soweit ich sie mir jetzt erklärt habe, setze ich in einem gedanklichen Versuch einen Ton. Ich probiere im Kopf: Wo kommt der Ton her, wenn er da ist? Wie entsteht er? Stelle ich ihn her oder wird er für mich hergestellt? Ist er Natur oder Technik? Erzeugt ihn ein Mensch oder ein Ding oder beide zusammen? Ist er erklärbar oder unerklärlich, zufällig oder bewusst? Was erzählt er? Was kann der Ton?
Er kann ein Zeichen sein für einen Anfang und eine Ende. Ein Zeichen für Gefahr, ein Warnzeichen, ein Alarmzeichen, ein Hinweiszeichen, ein Zeitzeichen … Töne sind konkret, zumeist technisch hergestellt, und sie...