Ja, schreibt denn selbst ein Literaturgigant wie Franz Kafka nur über sich selbst? Jein, würde er wohl sagen; Prokurist Josef K. („Der Process“) und Landvermesser K. („Das Schloss“), das sei nicht er. Gregor Samsa („Die Verwandlung“) schon gar nicht. Selbst der „Brief an den Vater“ schriftstellerische Fiktion, Vateraustreibung mit allerdings starken autobiografischen Bezügen. Auf solche stürzt sich der Schauspieldirektor des Theaters Osnabrück, Dominique Schnizer. Denkt sich solche Bezüge für seine Inszenierung „Kafka“ auch einfach mal aus und fantasiert formvollendet eine Parallelisierung der Lebens- und literarischen Welt des Autors auf die Bühne. Dabei treibt er den Ansatz ins Surreale, weswegen die Hauptfigur gern mal eine Melone trägt wie Herren auf Gemälden von René Magritte.
Um den narrativen Kern des Romans „Der Process“ collagiert Schnizer reichlich Zitate aus Kafkas Erzählungen, Tagebüchern und Briefen zum Beweis seiner Lesart des Œuvres, der kafkaesken. Die eben nicht Alltagsrealität 1:1 spiegelt, aber ein Daseinsgefühl ausdrückt: diffuse Erfahrungen der Angst, Unsicherheit, Entfremdung und des Ausgeliefertseins an anonyme, allgegenwärtige, scheinbar willkürlich handelnde Kräfte und Mächte und ihre albtraumhafte Bürokratie. Dementsprechend inszeniert Schnizer heillos widersprüchliche Situationen, in denen man nicht antizipieren, nur fürchten kann, was gleich passiert – die Konfrontation mit Gewalt, Absurdität, Ausweg- oder Sinnlosigkeit. Sinnträchtig hingegen die...