Die Figur des Kasper ist weit mehr als nur ein Überbleibsel aus der Kinderstube. Sie ist eine lebendige kulturelle Praxis, tief verwurzelt in europäischen Theatertraditionen, die über Jahrhunderte hinweg soziale, politische und ästhetische Entwicklungen gespiegelt haben. Die zahlreichen Ausformungen der lustigen Figuren, ihre Charaktere, Erzählungen und ihr Spiel beruhen auf komischen Prinzipien. Gemeinsam haben sie unter anderem Elemente einer karnevalesken Lachkultur (vgl. Taube 1994, 39–58), in der die Lösung aller Probleme Gewalt ist. So prügeln sich Kasper und seine Verwandten aus misslichen Situationen heraus und bleiben selbst unsterblich. Die Szenen der Gewalt sind aus heutiger Sicht moralisch fragwürdig, doch entscheidend für den Aufbau komischer Choreografien: Es entstehen lustige Verfolgungsjagden, Verwechslungsmomente mit Wortwitz und ein aktives Wechselspiel der Gefühle für Figuren und Publikum. Ein weiteres Merkmal karnevalesker Lachkultur ist das Aussetzen sozialer Ordnungen im Spiel der lustigen Figur: Kasper und seine Verwandten lehnen sich gegen jede Obrigkeit auf, selbst Tod und Teufel haben keine Chance gegen den Witz, die Schlagkraft und die subversive Kraft des „kleinen Mannes“, den der Kasper verkörpert.
Auf Grundlage dieser – hier nur skizzenhaft umrissenen – Prinzipien wurde 2021 das Kaspertheater als Spielprinzip in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Der Initiative von Ralf Uschner, Leiter...