Thema
Laudatio zum Martin Linzer Theaterpreis 2019
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Abgründe des Alltäglichen – Das Staatstheater Braunschweig (06/2019)
Assoziationen: Staatstheater Braunschweig
Die Kapriolen, die die Geschichte vor unseren Augen schlägt, in ein Verstand und Gefühl des Zuschauers erhellendes Spiel zu bringen, ohne vergessen zu machen, dass es sich um Kapriolen handelt, darin besteht die Kunst. Eine Kunst, die das Staatstheater Braunschweig auf eine so besondere Weise beherrscht, dass es dafür den von der Zeitschrift Theater der Zeit vergebenen Martin Linzer Theaterpreis erhält!
Es gab Zeiten, da kam man wegen Wilhelm Raabe nach Braunschweig – sogar Hermann Hesse kam wegen ihm im Jahre 1909 hierher, den bewunderten Greis zu treffen. Darüber hat er 1933 den überaus lesenswerten Text „Besuch bei Wilhelm Raabe“ geschrieben. Hesse hatte ein drängendes Anliegen: Er wollte vor allem über den von ihm hochverehrten Eduard Mörike mit dem fast achtzigjährigen Raabe sprechen – und dieser schildert ihm dann auch den Dichter aus seinen Begegnungen heraus in allen Farben als überaus unangenehmen Menschen, dessen pfäffische Natur ihm zutiefst unsympathisch gewesen sei. Hesse schreibt das treulich auf. In einem verspäteten Nachtrag zu seinem Bericht allerdings notiert er dann irritiert, es stünde zweifelsfrei fest, dass Raabe Mörike nie getroffen habe. Da ist der Autor mit seiner Bewunderung am falschen Platz dem Eulenspiegel Raabe auf den Leim gegangen – und braucht mehr als...