5 Mise-en-abyme
von Florian Evers
Erschienen in: Recherchen 139: Theater der Selektion – Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel (11/2018)
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„Ihre Fahrkarte bitte!“ Der Zugbegleiter der Deutschen Bahn tritt ins Abteil und wendet sich an den nächsten zu kontrollierenden Fahrgast, der allein in einer Zweiersitzreihe Platz genommen hat und in seinen Papieren liest. Er reagiert nicht.
„Entschuldigen Sie … Ihre Fahrkarte bitte!“ Der Schaffner wendet sich dem Fahrgast zu, spricht ihn nun direkt mit zugewandtem Blick freundlich an, da er vermuten muss, dass dieser beim Lesen so in Gedanken war, dass er die Aufforderung überhört hat.
Der Fahrgast schaut von seinen Papieren auf, stößt ein leises, abgehacktes, sarkastisches Lachen aus, das andeutet, dass er sehr wohl zugehört hat, aber sich gestört fühlt oder die Aufforderung als Zumutung wahrnimmt, und erwidert mit einer subtil provokativen Intonation: „Nein … wissen Sie was? Ich werde Ihnen meine Fahrkarte nicht zeigen!“
Der Schaffner ist sichtlich irritiert, zieht die Augenbrauen hoch und wirkt verloren. Er versucht, auf die Anfeindung nicht ebenfalls mit Aggression zu reagieren und beginnt, dem Fahrgast sachlich und um Ruhe bemüht klarzumachen, dass er sich an die Beförderungsregeln zu halten hat: „Dann haben wir ein Problem, denn ich darf Sie nicht ohne gültigen Fahrausweis fahren lassen“, äußert er so neutral und wenig autoritär oder belehrend wie möglich. Das bringt den Fahrgast...