Theater der Zeit

II Kleist / Abfall der Könige, Fürsten und Väter

Um 1800

von Ulrike Haß

Erschienen in: Kraftfeld Chor – Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek (01/2021)

Assoziationen: Theatergeschichte

Anzeige

Anzeige

Mit Kleist geht es um die Schwelle 1800. Das ist ein gewaltiger Zeitsprung. Aber das fünfte vorchristliche Jahrhundert und die Moderne sind auch miteinander verklammert. Was sich in den griechischen Poleis begründete und durch mehrere Epochen- und Weltwechsel hindurch zur Traditionslinie europäischer Souveränität verdichtete, erscheint nun als zu Ende gegangene Epoche der Könige. Die Fragen der Zusammengehörigkeit von Gattungswesen reißen mit aller Wucht auf. Die besondere Lücke, die der Teufel lässt, klafft um 1800 in der patriarchal, römisch-christlich konnotierten Achse einer Genealogie, die sich vom Vater auf den Sohn zählen wollte. Doch anders als ihr Dogma behauptet, führt diese Achse zu keinen Abfolgen. Das römische Prinzip der Filiation scheint von Grund auf gestört. Väter, Fürsten und Könige entfallen um 1800 nicht einfach, aber sie fallen ab. Sie lassen nach und verstricken sich dabei in verheerende oder martialische Abwehrkämpfe. Im Moment ihrer Erschöpfung und damit einhergehender äußerster Verwahrlosung der Jüngeren (Söhne) entwirft Kleist sein größeres Theater, das vom Chor ausgeht. Hier hat ein unbestimmtes Volk jeglichen Alters und Geschlechts seinen Auftritt. Es erinnert und zitiert die Orchestra aus der antiken Konstellation und spielt auf ihrem Grund. Ich zeichne Kleists größeres Theater am Beispiel des Guiskard-Fragments nach und folge den Spuren, die es im Prinz von Homburg zeitigt.

Um 1800

„Diß ist die Zeit der Könige nicht mehr“, heißt es bei Hölderlin im Empedokles. Hölderlin sieht eine neue, zukünftige Zeit aufziehen, die Zeit der Vielen. „Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte“, schreibt er 1793 an seinen Bruder und sehnt herbei, was sich vielleicht als „kommende Demokratie“ (Derrida) denken lässt. Jörn Etzold unterstreicht diese Aspekte in seiner Studie zum Empedokles, in der er Hölderlins dritten Entwurf unter den Begriffen „Abschied und Chor der Zukunft“148 charakterisiert. Unter den dramatis personae verzeichnet Hölderlins Entwurf an letzter Position einen „Chor der Agrigentiner“ und notiert auf dem folgenden Blatt das Fragment eines Gesangs, das mit den Worten „Neue Welt“ überschrieben ist. Etzold zufolge steht dieser Gesang dramaturgisch an der Stelle der Parodos, jenem Lied, mit dem der antike Chor das Theater eröffnet. Es handele sich mithin um einen „ersten Einzug des Chores in das Theater Hölderlins“149. Dann bricht jedoch an dieser Stelle der dritte Entwurf und damit das gesamte Projekt des Trauerspiels ab. Without, mit ohne Chor könnte man sagen, wenn man die letzte Notiz zu diesem Projekt bedenkt, die sich auf der Rückseite des Blattes mit dem Fragment „Neue Welt“ findet. Hölderlin notiert: „+ Chor. Zukunft“. Vor diesem Hintergrund vertritt Etzold in seiner Studie die These, dass Hölderlins späte Hymnen als Chorgesänge zu begreifen sind und portraitiert sie auf folgende Weise: „Die Gesänge sind für einen künftigen Chor der Vielen geschrieben, der in der ‚Gegend‘, in die das Geschehen des Trauerspiels Empedokles wanderte, einen nur ephemeren Auftritt finden konnte.“150

Die Zeit der Könige ist in postrevolutionären Zeiten dahin. Das ist das eine. Der König wurde geköpft und nun, nachdem das Volk im „Heiligtum der Volksvertretung“ (Robespierre) immer weniger Vertretung gefunden hatte, war auch das Gemeinwesen in einer Krise. In existenzielle Kämpfe für das Überleben im Einzelnen verstrickt, bringt das Volk weder die Einheit noch die Kraft auf, eine neue Vertretungsform zu konstituieren. So wird dies auch die Zeit für einen neuen Retter, der nicht wie die absolutistischen Herrscher aus dynastischen Kämpfen und Erbfolgen hervorgeht, sondern der sich auf Verwaltungen und militärische Strukturen stützt, die ihm als alleinigem Herrscher zuarbeiten. Mit anderen Worten, es ist die Stunde für einen charismatischen Helden, der sich selbst die Krone aufsetzt und die Züge Napoleon Bonapartes trägt.

Das andere ist, dass mit der Zeit der Könige auch die Epoche einer göttlich verbürgten Souveränität vorbei ist. In einer Zeit ‚nach Gott‘ ist es auch mit den Gesalbten Gottes vorbei. Es geht daher nicht nur um Souveräne, deren Abschöpfung sich immer unverhohlener als Zugriff auf Güter, Dienste, Arbeit und Blut vollzogen hatte und die sich immer schwerer damit getan hatten, Untertanen von ihrer Zusammengehörigkeit zu überzeugen. Es geht nicht nur darum, dass sich in ihren Staatsgebilden ‚nach Gott‘ allmählich das Gesicht einer Souveränität herausschälte, in der Untertanen sich nicht mehr gespiegelt, sondern eine Welt in tödlicher Auflösung und eine unbekannte Zukunft heraufziehen sahen. Die Fraktur ‚nach Gott‘ berührt in vollem Umfang auch sämtliche Fragen der Genealogie. Betroffen sind nicht nur die Fragen patrimonialer Dynastien, die im Namen väterlicher Souveräne Abfolgen und Nachfolgen ordneten und auch nicht nur die Fragen der göttlichen Verbürgung ihrer Legitimität, der Legitimität „geweihter Könige“, wie es bei Kantorowicz heißt. Sehr viel weitergehend betrifft diese Fraktur eine Frage der Gattung, die im christlich-römischen Geltungsbereich mit dem Prinzip der Zusammengehörigkeit aller Menschen in einer geschaffenen Gattung beantwortet worden war.

In einer Zeit nach Gott verliert dieses Prinzip jedoch seinen Signifikanten und damit seine Gültigkeit als umklammerndes Prinzip. Am Ende dieser langen Periode des christlich-römischen Monotheismus bricht daher der gesamte trouble auf, mit dem sich der inklusive Gattungsbegriff in vorchristlicher Zeit einst durchgesetzt hatte. Die Klammer ist weg und alle Bezüge sind erschüttert. Das Prinzip der Zusammengehörigkeit aller in einer Gattung offen – und erfährt in der Deklaration der Menschenrechte eine niemals zu ihrem Ende kommende, fragile Lösung. Ebenso sind die Fragen von Genealogie und Filiation offen, mit denen die Leitidee einer Wiederholung des Menschen durch je zwei Menschen dereinst konkretisiert und einer vorläufigen Lösung zugeführt worden waren.

In den Suchbewegungen, die um 1800 an Fahrt aufnehmen, häufen sich Untersuchungen und Theorien, die von der Erziehung zum Menschengeschlecht (Lessing) handeln, vom Staat, von Gemeinwesen, von der Geselligkeit oder der Menschenbildung. Die Akzente werden verschieden gesetzt. Ganz grob lassen sich jedoch zwei Tendenzen unterscheiden, die auf eine unterschiedliche Tiefenstruktur der Fraktur um 1800 reagieren. Die erste Tendenz widmet sich den Thematiken der Zusammengehörigkeit in einem Gemeinsamen und reagiert damit darauf, dass die Zeit der Könige vorbei ist. Sie nimmt also eine nach-dynastische oder postrevolutionäre Epoche in den Blick und verbindet diese mit Hoffnungen auf das Kommune und kommende demokratische Entwicklungen. Eine zweite Tendenz widmet sich Thematiken der Nicht-Zusammengehörigkeit. Sie nimmt die Bodenlosigkeit jeder nur-menschlichen Vereinbarung in den Blick und misstraut insgesamt einer fortschreitenden geschichtlichen Entwicklung. Was für die erste Tendenz die Rechtlosigkeit im Politischen ist, begreift die zweite Tendenz als Grundlosigkeit, die bei Nietzsche ihre programmatische Formulierung findet: „Gott ist tot“. Die zweite Tendenz ist mit dem Trouble auf der Ebene der Gattungsfrage verknüpft und greift oft weit zurück, vorzugweise auf das archaische oder klassische vorchristliche Griechenland. Beide Tendenzen können sich auch überschneiden oder vermischt auftreten, sodass es wenig sinnvoll erscheint, sie vorab scharf voneinander trennen zu wollen. Für beide Tendenzen indessen, die sich aus der Fraktur um 1800 speisen, spielt das Theater eine herausragende Rolle.

Wie das Publikum gemeinsam wird

Für Suchbewegungen der ersten Tendenz steht das Theater Modell für eine bestimmte Form von Gemeinschaft und Zusammenhang ein, der theoretisch als „nationaler“ (Lessing) oder als „ästhetischer“ (Schiller) Zusammenhang gedeutet werden kann. Ich möchte hier zunächst kurz diese erste Tendenz beschreiben und einen Bogen skizzieren, der sich um 1800 aufspannt und in dessen Fragehorizont wir in gewisser Weise immer noch stehen. Dieser Bogen geht in jeglicher Hinsicht von der um 1800 konstatierten Not der Zusammengehörigkeit aller aus. Er spannt sich über die Hoffnungen, die sich auf das Theater richten und weit darüber hinaus, über das intensive Nachleben der republikanischen Feste bei Rousseau bis hin zur performativen Versammlung und reicht schließlich bis zu den Demokratiebewegungen unserer Tage, die keinen gemeinsamen Nenner haben und sich der Logik der Repräsentation entziehen.

Verfassungen, Korporationen und politische Institutionen scheinen nicht geeignet, das Gemeinsame einer Gemeinschaft herzustellen. Hingegen erscheint das Theater des „emanzipierten Zuschauers“, wie es von Jacques Rancière charakterisiert wird, „als eine Form der ästhetischen Verfassung – der sinnlichen Verfassung – der Gemeinschaft“151. Idealtypisch und gewissermaßen im Geist derer, die um 1800 ihre besonderen Hoffnungen auf das Theater setzten, beschreibt Rancière das im Theater versammelte Publikum als eine Zusammenhangsform, die nicht-institutionell funktioniert und eine gemeinsame res publica der Vielen „vorformt“. Denn das Gemeinsame bedeutet, „einen Ort und eine Zeit zu besetzen, als Körper in Aktion und nicht als einfacher Gesetzesapparat, eine Gesamtheit von Wahrnehmungen, Gesten und Haltungen, die den Gesetzen und den politischen Institutionen vorausgeht und sie vorformt“. Hervorgehoben werden damit die versammelten Körper, die einander mit ihren verschiedenen Wahrnehmungen, Gesten und Haltungen affizieren und dieserart eine „Gesamtheit“ herstellen, die niemandem gehört und in deren Namen niemand sprechen kann. Dezidiert spielen diese versammelten Körper vor dem Gesetz und damit vor der Repräsentation durch eine Institution, die sie jedoch zugleich „vorformen“. Was Rancière damit vorstellt, ist nichts anderes als eine ästhetische Revolution.

Isabell Lorey spitzt diese Rancièresche Vorstellung zu und fordert, sie konsequenterweise vom Theater zu lösen. Die bei Rancière noch in einem Theater versammelten Körper werden von Lorey in einem stark erweiterten Sinn als eine „Mannigfaltigkeit aufeinander bezogener Singularitäten“152 definiert, die in der Lage seien, ein „anderes“ Gemeinsames nicht nur vorzuformen, sondern es zu praktizieren.

„[Die] Ermächtigung [der derart Versammelten, UH] entfaltet sich weniger, indem sie sich aufführen und erneut eine Bühne schaffen, indem sie theatral oder für die Inszenierung funktional partizipieren, sondern indem sie am wechselseitigen Austausch mit anderen Beliebigen teilnehmen und davon affiziert werden. Wenn das Publikum in dieser Weise die Bühne besetzt, setzt es sie aus, es bricht mit der theatralen Inszenierung. So entstehen potenziell neue Räume des Gemeinsamen, in denen ein anderes Zusammenleben nicht nur verhandelt und erfunden, sondern an Ort und Stelle bereits praktiziert werden kann. Dieses Praktizieren verstehe ich als eine präsentisch-performative Macht.“153

Es geht an dieser Stelle nicht darum, die aufgeführten Positionen im Einzelnen zu diskutieren, sondern nur um die Skizze eines Bogens, der mit der Fraktur „um 1800“ einsetzt und die Bahn verfolgt, wie das Publikum gemeinsam wird. Ihr Bogen führt aus der Unscheinbarkeit abgebrochener Versuche (Hölderlin) über die ausgesetzte Bühne der republikanischen Versammlung (von der Rousseau träumte), hin zur „performativen Versammlung“ (Butler) und schließlich zu einer neuerlichen „Ermächtigung“ und zu einem Begriff von „Macht“ (Lorey), der m. E. notwendig unklar bleiben muss. In der Beschreibung dieses Bogens wird eine Dynamik deutlich, die darauf insistiert, sich vom Theater zu lösen. Wir präzisieren an dieser Stelle jedoch, von einem Theater, wie wir es kannten: von einem Theater, das am souveränen Auftritt des Protagonisten orientiert ist und seinen Begriff des Schauspielers von daher bezieht. Im skizzierten Bogen vom Publikum, das gemeinsam wird, arbeitet jedoch auch ein Chor, der aus dem beengten Rahmen eines durch und durch familiarisierten Innenraumtheaters heraustritt und sich in einer Werdenszone der Teilnahme ausbreitet.

Vom Chor im Theater, wie wir es kannten

Das Theater, wie wir es kannten, hat in zahllosen Varianten die These vom Chor als minderwertigem Mitspieler vertreten oder die Vorstellung einer Überhöhung gepflegt, indem der Chor als sinnlich mächtige Masse im Bühnenraum eingesetzt wurde. Auf diese Weise hat es den Chor zu niedrig oder zu hoch gehandelt und ihn unkenntlich werden lassen, während die namentlich ausgezeichneten Protagonisten in der Mitte des Theaters platziert und ihre Erscheinungen mit Bedeutung, Macht, Potenz, Mannbarkeit und Gegenwart ausgestattet wurden.154

Zu niedrig: Die These vom Chor als einem minderwertigen Mitspieler geht auf die bekannte Anmerkung von Aristoteles zurück, dass der Chor ‚wie ein Schauspieler‘155 aufzufassen sei. Um 1800 wird ein Begriff vom Schauspieler unterstellt, der am Protagonisten orientiert ist und mit den Imperativen von Position, Ausdruck, Entscheidung und Handlung einhergeht. Die Handlung wird als aktives Tun von Protagonisten definiert, so wie das antike Theater als Dispositiv der Aneignung von Handlungskompetenzen durch den Menschen begriffen wird. Die von Prometheus als Gottvater-Rebell und Kulturschöpfer begeisterte Epoche um 1800 hat dies geradezu als ihr Modell erachtet. Dichter und Denker imaginieren sich als prometheische Helden, wie jene wollen sie in die geschichtliche Zeit eingehen, in ihr fortschreiten und wie jene sich fortsetzen, gründen, schöpfen und zeugen. Ihr Modell verehrt die Tat, das Werk, die Arbeit, den Fortschritt. Es feiert „die Glorie der Aktivität“, wie sie Nietzsche in Prometheus erkennt.156 Griechenlandverehrer um 1800 sehen den Protagonisten, der in sein vita activa startet, direkt aus der antiken Szene hervorgehen. Er erscheint ihnen geradezu als Prototyp des Menschen, der die Natur zähmt und die Götterwillkür endet. Die umfassendere Dimension eines passivischen Gehandelt-Werdens ist unkenntlich oder aufgegeben worden. Kein Gedanke daran, dass im antiken Drama viel-ursprüngliche Ereignisse (pragma) handeln und nicht der Mensch (anthrōpos).157

Gemessen an einem Schauspieler-Protagonisten, muss der Chor als unqualifizierter und unfähiger Akteur gelten. Er ist als wankelmütiger Mitspieler mit vermindertem Weltanteil beschrieben worden, als gebrochener, unsympathischer, unsicherer Mitspieler, als tatenloser Zuschauer, als ratloser, verwirrter, hilflos schwankender und irrender Geselle. Man hat seine intellektuellen Fähigkeiten bezweifelt und sein Jubeln, seine Angst, sein Zittern und Zagen, sein Klagen und Schreien für unangemessene, übertriebene Affekte oder schlicht für einen Mangel an Selbstbeherrschung gehalten. Seine insgesamt gebrochene und widersprüchliche Beteiligung am tragischen Geschehen ließ den Chor derart unter das Niveau der Helden sinken, dass er dafür auch verachtet wurde. Seine Passagen fielen radikalen Strichfassungen zum Opfer. Gerne ließ man seinen Text durch einen Einzelschauspieler sprechen, der häufig in die Rolle eines Dieners gesteckt wurde und neben den Protagonisten zum Idioten der Familie verkam.

Zu hoch: Wo der Chor als Überhöhung der Figur des Einzelnen geschätzt wurde, wo brüderlichen Konkurrenten um die Macht jeweils ein großer Chor an die Seite gestellt wurde (Die Braut von Messina, 1803), wo Ödipus mit siebzigköpfigen Gefolge auftrat (Oedipus Rex, Teatro Vicenza, 1584) oder der Chor nach katastrophal ungelöster Haupthandlung die abschließende Szene in einen Triumph der Oper ummünzen soll (Idomeneo, 1781), wo die bloße Anzahl und die große sinnliche Masse seiner Figur geschätzt wurden, handelte es sich stets um die Absicht, mit der Masse einen Raum zu beherrschen und die Bühne in die Machtfülle ihrer Repräsentationsleistung zu überführen. Denn die Bühne erscheint in diesen Versionen als ein randständiger Ort, dessen Armut in seiner bedingungslosen Sichtbarkeit beschlossen liegt. Die Einzelfigur scheint an ihm verloren und stets in Gefahr, ihrer eigenen Marginalität zu erliegen.

Daher wurde für die Darstellung von bedeutenden Personen oder Zusammenhängen stets auf den Chor als dekorative Masse zurückgegriffen. Die Masse als Erscheinungsweise einer Summe, die sich der fokussierenden Vereinzelung widersetzt, soll die Bühne mit überwältigender Erhabenheit ausstatten. Aus dieser Geschichte resultiert die zähe Vorstellung vom Chor als einem monolithischen Block. Wie ein aus Vielen zusammengesetzter Riese bewegt er sich nur mühsam und verharrt daher meist unbeweglich an den Rändern oder im Hintergrund der Bühne. Der Chorblock in seiner debilen, starren Größe wird entlang seines Umrisses als Einheit wahrgenommen, die aus einer Bildwirkung des optisch erschlossenen Innenraums des Theaters resultiert. Im übertragenen Sinn hat sie dazu geführt, dem Chor all jene Fundamentalismen zuzuteilen, die ihn für angebliche Traditionshüter attraktiv und für Antikonformisten unannehmbar machen: Allmacht, Allgegenwart, Souveränität, Identität. Der Chor soll den ‚Geist‘ eines Volkes oder einer Nation repräsentieren. Er soll eine Versammlung von treuen Gefährten darstellen, von Genossen oder Gläubigen, alle tendenziell bereit, mit einer Stimme loszubrüllen. Das wäre dann die faschistische Variante.

Die auf den Chor projizierte Vorstellung von Einheit und Identität resultiert aus der vergleichsweise kurzen Geschichte des modernen Theaters. Sie ist derart mächtig, dass die Widersprüche und Paradoxien dieser Vorstellung kaum reflektiert wurden. Sie beginnen mit der einfachen Frage, wie denn ein solcher Monolith überhaupt auf die Bühne gelangt, denn jeder Auf- oder Abtritt müsste ihn als vielgestaltig auseinandertretende Figur zeigen. Eine Einheit kann schlichtweg weder auf- noch abtreten. Häufig wird der Chor durch die Lichtregie verborgen, bevor er ‚auf einmal‘ erscheint. Regelrecht bizarr ist der Einfall zu nennen, den Chor von der Unterbühne aus wie auf einem Tablett nach oben zu fahren. Fragen, woher der Chor kommt und wo er im Theater seinen Ort hat, führen sehr schnell über ihren vermeintlich theaterpraktischen Zuschnitt hinaus und rühren an eine von der visuellen Kultur der Neuzeit überlagerte Topologie des Theaters.158 Denn unter dem Theater, wie wir es kannten, liegt ein Theater, das wir nicht kennen.

Ein Theater, das wir nicht kennen

Wenn wir nicht den Weg verfolgen, wie das Publikum gemeinsam wird, und wenn wir das moderne Dispositiv des Theaters nicht auf sich beruhen lassen, dann sind wir bei den Suchbewegungen angelangt, die ich als zweite Tendenz charakterisiert habe, die aus der Fraktur um 1800 hervorgeht. Bei einem Theater, das wir nicht kennen, handelte es sich demnach um ein Theater der Nicht-Zusammengehörigkeit, der Bodenlosigkeit und des Misstrauens in nur-menschliche Vereinbarungen und eine geschichtlich fortschreitende Zeit. Mit anderen Worten: Ein Theater, das wir nicht kennen, geht vom Chor aus. Ein solches Theater favorisiert nicht das Gemeinsame und nicht das Kollektiv, denn der Chor bildet eine Form fortwährender Teilung. Er bildet eine immer nur kommende Form, die sich zerstreut und endet, wenn Affekte und Mitteilungen einander nicht mehr berühren. Vom Chor auszugehen, heißt: in eine ereignishafte Zeitlichkeit einzutreten, die etwas ganz Anderes meint als jenen Jetzt-Punkt, an dem sich eine Gemeinschaft feiert oder sich der Auftritt eines Helden mit überwältigender Präsenz vollzieht. Vom Chor auszugehen, heißt: in eine Gegenwart einzutreten, die sich als intensive und infinite Werdenszone ausbreitet. Als eine sich ausdehnende Sache umfasst diese Zone die anderen Zeiten, kommende wie vergangene, die einander – sich wie ein Chor unendlich teilend – berühren. In allen Punkten widersetzt sich ein Theater, das von den Strukturmerkmalen der Chorfigur durchzogen wird, der Einheit, der Zusammengehörigkeit, der Vergewisserung eines gemeinsamen Bodens und solchen Schauspieler-Protagonisten, die dem Kult des großen Schauspielers anhängen. Es entzieht sich der Repräsentation und ihren Logiken, die im Dienst einer Staatlichkeit stehen, einer Polis oder einer Politik der Innenbildungen. Erweitern wir also den Chorbegriff und lösen ihn davon, eine Gruppe von Darstellern zu bezeichnen. Ein Chor bezeichnet, seinem unbestimmten Artikel zufolge, ‚mehrere Personen‘ oder Mehreres, aber keine explizite Gruppe oder ein Kollektiv. Ziehen wir in einem nächsten Schritt diesen unbestimmten Chorbegriff zu Rate, um dem Gemeinplatz, dass es sich beim Theater um eine ephemere Kunst handele, auf die Sprünge zu helfen.

Für ein Theater, das vom Chor ausgeht, kann die vielbeschworene Flüchtigkeit des Theaters nicht auf der Ebene einer triadisch geordneten Zeitlichkeit angenommen werden, die mit niemals wiederkehrenden Augenblicken rechnet, die für immer verlorenen Stunden nachhängt und die daher stets alle ihre Hoffnungen auf eine Zukunft setzt, die nicht heute ist, sondern morgen kommen soll. Diese Zeitlichkeit eines unumkehrbaren Verlaufs ist nicht nur eng mit einem isoliert begriffenen Protagonisten verbunden, der sozusagen von Geburt an seinem Tod entgegengeht, sondern sie bestimmt auch die Vorstellung eines geschichtlichen Ablaufs und kommt mit dem Fortschrittsbegriff von Geschichte insgesamt überein. In diesen Ablauf gebettet, gilt das Jetzt als unwiederholbar und schon im Moment seines Auftauchens für unwiederbringlich verloren. Es gleicht jenem theatralischen Moment, mit dem Helden (Schauspieler) sich in Szene setzen, die alle Erwartungen zu erfüllen versprechen. Eingespannt zwischen einer wie auch immer überwundenen Vergangenheit und zukünftigen Versprechen, gerät dieses Jetzt zu einem Punkt ohne räumliche Ausdehnung. Im Gegenteil zu jenem Augenblick, der sich aus einer Berührung von Vergangenheit und Zukunft herauslöst und zu schweben scheint, bildet dieses Jetzt den Moment einer leeren Gegenwart. Nachträglich und nicht ohne, dass ihr ein melancholisches „Verweile doch!“ angeheftet worden ist, lässt sie sich auf einem Zeitstrahl anordnen, der die verschiedenen Tempi unerbittlich voneinander trennt und auf Abstand hält.

Für ein Theater, das vom Chor ausgeht, können wir kein punktförmiges Hier und Jetzt annehmen. An seiner Stelle ist von einer Raumzeit auszugehen, die notwendiger Weise nicht eine ist. In ihren Auftritt spielt eine nicht überwundene Vergangenheit hinein, mit ihrem Auftritt ist ein Zukünftiges schon im Werden begriffen. Überhaupt ist der Auftritt wie eine vielschichte Zone vorzustellen, in der sich verschiedene Gegenwarten von Beteiligten verzweigen und ausdehnen, unter ihnen vormalige und künftige Gegenwarten unterschiedlicher Dichte und Reichweite. Statt auf ein Ende zuzugehen oder diesem Ende entgegenzufiebern, weil man von ihm die Lösung eines geschürzten Knotens erwartet, verwickeln sich Gegenwarten im transitorischen Raum von Theater zu einer res extensa. Unter der Bedingung, dass nicht das Ende, sondern das Anfangen fokussiert wird, gleicht die Gegenwart der flächigen, ausgedehnten Zone eines unbestimmten Werdens, in der sich alles verzweigt und sich mehr Mitspieler einstellen, als wir es uns haben träumen lassen. Ein Theater, das von seinen Auftrittsbewegungen her aufgefasst wird, wird – implizit oder explizit – vom Chor aus definiert. Es eignet sich in allen seinen Zügen besonders für eine Kunst des Anfangens, der Ankunft und des Zur-Welt-Kommens.

Der Auftritt als Zone einer nicht komprimierbaren res extensa ist auch der Gegenstand einer eigenen Auftrittswissenschaft, die geeignet ist, die besondere Flüchtigkeit des Theaters aus seinem Zeitkorsett der Ablaufzeit zu lösen und „Theater als transitorischen Raum“159 zu begreifen. Unter dieser Voraussetzung fragen Juliane Vogel und Bettine Menke nach „Perspektiven und Formen eines Theaters der Fliehenden“. Sie stellen heraus, dass die Bühne im transitorischen Raum von Theater allererst in der Berührung mit denjenigen entsteht, die von woanders her aufgebrochen sind, um zu erscheinen. Die Bühne entsteht mit den Auftrittsbewegungen von Fliehenden im konkreten sowie im übertragenen Sinn. Jeglichem Auftritt in einem Erscheinungsraum sind Aufbrüche vorausgegangen. Oftmals erzwungene Aufbrüche, die aus existenzieller Ortlosigkeit, Vertreibung, Verfolgung oder erlittener Gewalt resultieren und die ihr Pathos mit auf die Bühne tragen. Juliane Vogel macht darin „den Pathoskern allen In-Erscheinung-Tretens“ aus.160 Theater, das von seinen Auftrittsbewegungen her gesehen und begriffen wird, ist kein Behälter für Versammlungen. Es bildet sich vielmehr als transitorische Zone, als Übergang, als Frist und als bloßer Aufschub. Es bildet die Stelle eines vielfältigen Zauderns und Zögerns noch vor jeder Entscheidung und deren Unhaltbarkeit. Vom Chor aus begriffen, ist Theater darüber hinaus immer ein Ankunftsraum von Vielen. Denn wie der Protagonist, kann auch ein Singuläres nie alleine oder unabhängig erscheinen. Vieles liegt schon uneigentlich versammelt in einer „Gegend“ (Etzold) vor, in der ein Auftritt sich vollzieht, der stets „aus dem Grund“ (Vogel) erfolgt, und zwar in jeglicher, mit dieser sprachlichen Wendung verknüpfbaren und denkbaren Hinsicht. Das Singuläre ist stets Ankunft zu Vielen.

Wie der Chor ist dieses Theater zu instabil, um sich selbst zu behaupten, zu flüchtig, um die Umrisse einer wiedererkennbaren Figur anzunehmen, und zu fremd, um in die Geschichte von Protagonisten einzutreten. Wie der Chor ist dieses Theater eher mit dem liiert, was jeder Genealogie und jeder Gemeinschaft als deren eigener unmöglicher Zusammenhang inhärent ist. Es ist spezialisiert auf Auftrittszonen, die aus vielfachen, mannigfaltigen Ko-Akteuren gewebt sind, zu denen Temperaturen und Licht ebenso zählen wie Dinge oder Wesen aller Art. Es ist auf Sphären spezialisiert und mit räumlichen Begriffen zu beschreiben, die keine Entweder-oder-Strukturen kennen. An deren Stelle gibt es nur Zonen der größeren oder geringeren Annäherung oder Entfernung.

Chor mit Kleist

Wie kaum ein anderer hat Kleist für ein Theater, das wir nicht kennen, gebrannt. Er hat uns von diesem Theater ein Bild mitgeteilt, das in einer verallgemeinerten und zugleich radikalisierten Weise das griechische Amphitheater erinnert. Wenn wir Kleist als einen Autor begreifen, der aus der Zeit um 1800 am weitesten in unsere Gegenwart hineinreicht, so hängt das auch mit diesem Bild zusammen. Jäh und vollständig taucht es zum ersten Mal in einem Brief von Kleist aus dem Oktober 1800 auf, in dem er seiner Braut den Anblick der Stadt Würzburg schildert: Er habe die Stadt zuerst „von dem Berg aus“161 erblickt und gefunden, dass die Stadt „von dieser Seite am Schönsten sei“. Kleist notiert, dass er sie von dort „in der Abenddämmerung, nicht ohne inniges Vergnügen“ gesehen habe. Dann legt er über den Anblick der Stadt Würzburg das Bild einer unbestimmten Erinnerung. Fast zehn Monate später wird er dieses Bild einer Erinnerung, im Brief an eine andere Adressatin, noch einmal über die Stadt Mainz legen.162 Im Brief aus dem Oktober 1800 heißt es:

„In der Tiefe, sagte ich, liegt die Stadt, wie in der Mitte eines Amphiteaters. Die Terrassen der umschließenden Berge dienten statt der Logen, Wesen aller Art blickten als Zuschauer voll Freude herab u. sangen u. sprachen Beifall, oben in der Loge des Himmels stand Gott. Und aus dem Gewölbe des großen Schauspielhauses sank der Kronleuchter der Sonne herab, u. versteckte sich hinter der Erde – denn es sollte ein Nachtstück aufgeführt werden. Ein blauer Schleier umhüllte die ganze Gegend, und es war, als wäre der azurne Himmel selbst hernieder gesunken auf die Erde. Die Häuser in der Tiefe lagen in dunklen Massen da, wie das Gehäuse einer Schnecke, hoch empor in die Nachtluft ragten die Spitzen der Thürme, wie die Fühlhörner eines Insects, u. das Klingeln der Glocken klang wie der heisere Ruf des Heimchens – und hinten starb die Sonne, aber hochrot glühend vor Entzücken, wie ein Held, und das blasse Zodiakallicht umschimmerte sie, wie eine Glorie das Haupt eines Heiligen – –“

Kleist beschreibt eine Stadt, die sich aufführt. Sie liegt unter dem Blick des Himmels auf dem Grund eines Amphitheaters. Die Stadt bildet den von diesem Theater eingeschlossenen, künstlichen Grund. Sie wirkt durch ihre Einschließung irgendwie stigmatisiert, aber noch nicht getrennt von der Landschaft, die ihr von allen Seiten zusieht. Die Stadt füllt die Orchestra aus, die Terrassen der umgebenden Berge bilden die Reihen der aufsteigenden Cavea. Das Theater ist voller Zuschauer. Wesen aller Art füllen die Cavea, blicken, singen und sprechen Beifall. Gespielt wird im Licht des griechischen Theaters: im Tageslicht mit seinen permanenten Helligkeitsmutationen und drastischen Farbwechseln, zu denen es vor allem im Sonnenuntergang oder -aufgang fähig ist. Aufgeführt wird der Übergang vom Tag zur Nacht. Der Protagonist in diesem Stück ist das Licht, personifiziert in der Sonne. Er wird begleitet von der Stadt am Ort des Chors. Das Stück hebt an, indem der azurne Himmel die ganze Gegend in einen blauen Schleier hüllt. Die Stadt geht aus ihrer blassen Flächigkeit in die Plastizität der blauen Stunde über. Sie nimmt Schatten auf und wechselt jäh ihren Charakter. Sie bildet Haufen, dunkle Massen, ragt, fühlt, klingt oder ruft. Sie begleitet den gewöhnlichen Tod der Sonne, die ihn an diesem Abend, vor Entzücken hochrot glühend, heldenhaft gibt. Das Stück endet in der nicht endenden Umgebung dieses Theaters jedoch nicht, ohne noch einen weiteren Übergang bzw. einen zweiten Schluss zu geben, in dem ein noch einmal ganz anderes Licht und andere Farben auftreten. Nach dem Untergang der Sonne erscheint das Zodiakallicht am Himmel. Es ist aus interplanetarem Staub gemacht bzw. aus dem, was diese Staubpartikel nächst der Erde vom restlichen Licht der Sonne reflektieren. Es ist ein irisierendes, mannigfaltiges Licht, ein unendlich zusammengesetzter Schein. Die Nacht, die den Bezug zum Licht löscht, ist nicht mehr Gegenstand der Aufführung. Es handelt sich um ein Theater, das sich vor aller Augen, vor aller Welt vollzieht. In Kleists Beschreibung kommt es ohne Menschen aus. Seinen unwiderstehlichen Schwung bezieht dieses größere Theater Kleists aus seiner unbegrenzten Umgebung. Hier lädt es sich mit reiner Intensität auf. Von hier aus pulsiert es in den Stücken und Erzählungen Kleists und taucht in ihnen als ein Aufblitzen reiner Äußerlichkeit au milieu auf.163

Kleist steht hier für das Nadelöhr der Moderne, das uns zur Differenzierung zwingt zwischen einem Theater, wie wir es kannten, und einem Theater, das wir nicht kennen. Dabei liegt das Letztere nicht verborgen, unsagbar oder vergessen unter dem ersten, und das Erstere ist nicht einfach das falsche, das zur Stütze einer staatlichen Ordnung und ihren Dispositiven gehört. Vielmehr wird hier eine Unterscheidung angestrebt wie jene, die Foucault zwischen Erkenntniskritik einerseits und kritischer Gegenwartsontologie andererseits einzieht: Erstere ist als Kritik mit den stehenden Einrichtungen einer Gesellschaft verknüpft, mit ihren Gerichtssälen, Universitäten, Theatern. Letztere hingegen ist mit einer „zusammengetragenen, koordinierten, angewandten Erkenntnis“ verbunden, die erstere Erkenntniskritik ‚wie ein Sternenhimmel‘ überwölbt, aber als solche „nicht ganz zur Ordnung der Erkenntnis gehört“164. Damit möchte ich verdeutlichen, dass bei Kleist nicht einfach auf ein ehedem größeres Theater rekurriert. Ein Theater, das wir nicht kennen, ist keiner historischen Methode zugänglich und es ergibt sich aus keiner noch so kritischen Erkenntnis oder gründlichen Analyse des Bestands. Ein Theater, das wir nicht kennen, will den Fehler weder abschaffen noch überwinden, sondern setzt ihn vielmehr voraus als eine Sache, mit der wir zu tun haben und in die wir hineingeraten sind. Es stellt nichts in Aussicht, sondern stellt das Nicht-Akzeptierbare an den Anfang seiner Arbeit. Von der Seite her, so wie Kleist die Stadt Würzburg erblickt, oder aus dem Abseits, wie Jelinek sagt, wird das Dispositiv des Theaters nicht rundheraus abgelehnt, sondern bezweifelt, in dieser Weise schon alles gewesen zu sein. Für ein Theater, das wir nicht kennen, entstehen Stücke, die stets in der Haltung von Schutzflehenden vor die Instanzen der Repräsentationssysteme getragen werden – so wie Kleist sich mit dem ersten Stück seiner Penthesilea an Goethe wendet und dies mit einer Geste verbindet, die par excellence diejenige des Fliehenden ist, der um seine Aufnahme bittet,: „Es ist auf den ‚Knien meines Herzens‘ daß ich damit vor Ihnen erscheine“165.

148 Jörn Etzold, Gegend am Aetna. Hölderlins Theater der Zukunft, Paderborn 2019, 129–145.

149 Ebd., 142. Alle hier verwendeten Zitate Hölderlins werden nachgewiesen bei Etzold, ebd., 142 u. 143.

150 Ebd., 196 f.

151 Jacques Rancière, Der emanzipierte Zuschauer, übersetzt von Richard Steurer, Wien 2008, 11–34, hier 16. Diese Stelle gilt auch für das nächste, im Fließtext folgende Zitat von Rancière.

152 Isabell Lorey, „Die Macht des Präsentisch-Performativen. Zu aktuellen Demokratiebewegungen“, in: Themenheft: kollektiv auftreten, hg. von Evelyn Annuß, Forum Modernes Theater, Bd. 28, Tübingen 2017, 80–90, hier 88, Fußnote 3.

153 Ebd., S. 81.

154 Es handelt sich um eine Doppelbewegung: Die Verdrängung des Chors und die Vertreibung der Frau aus dem tragischen Konflikt bilden zwei Seiten einer Medaille, die Schleef als „drückende Erb-Last“ der deutschen Klassik kennzeichnet. Vgl. Schleef, Droge Faust Parsifal, ebd., 9.

155 Aristoteles, Poetik, 59. Die Stelle lautet im Griechischen: Kai ton choron de ena die hupolambanein tōn hypokritōn (wörtlich: Doch es ist notwendig, den Chor in einem mit dem Antwortenden/Schauspieler gastlich aufzunehmen). Fuhrmann übersetzt: „Den Chor muss man ebenso einbeziehen wie einen Schauspieler, und er muss Teil des Ganzen sein.“ Im Original wird der Vorgang betont, die Aufnahme von zwei Figuren ‚in einem‘. Fuhrmanns Übersetzung legt missverständlich einen Vergleich nahe („ebenso“). Für diese Präzisierung danke ich Meike Hinnenberg.

156 Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie Oder: Griechentum und Pessimismus, Stuttgart 1993, 59–61, hier 61. „Glorie der Passivität“ ist Ödipus als die „leidvollste Gestalt der griechischen Bühne“, ebd.

157 Vgl. Aristoteles, Poetik, „Der wichtigste Teil [der Tragödie] ist die Zusammenfügung der Geschehnisse. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von Menschen [anthrōpos], sondern von Handlung [pragma] und Lebenswirklichkeit [bios].“ Ebd., 21.

158 Es ist das noch zu beschreibende Verdienst der Inszenierungen Einar Schleefs, unter den Einrichtungen des Guckkastens die verborgene, aber nicht wirkungslose Topologie des Theaters aufgedeckt zu haben. Was Michel Serres vom Dialog sagt, dass er nur den ‚unwahrscheinlichen Sonderfall‘ einer netzförmigen, stets vielpoligen Kommunikation darstellt, gilt entsprechend für den Guckkasten und die Topologie des Theaters. Vgl. Michel Serres, Hermes, Bd. 1, Kommunikation, Berlin 1991, 15-30.

159 Juliane Vogel, Bettine Menke, „Das Theater als transitorischer Raum“, in: Bettine Menke und Juliane Vogel (Hg.), Flucht und Szene. Perspektiven und Formen eines Theaters der Fliehenden (= Recherchen 133), Berlin 2018, 7–23.

160 Juliane Vogel, Aus dem Grund. Auftrittsprotokolle zwischen Racine und Nietzsche, Paderborn 2017, 22-29.

161 An Wilhelmine von Zenge, Fr., 10., und Sa., 11. Oktober 1800. In: Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke. Brandenburger Ausgabe, hg. von Roland Reuß und Peter Staengle, Band IV/1, Briefe 1, März 1793–April 1801, 333–351, 347 f.

162 An Adolphine von Werdeck, Di., 28., und Mi., 29. Juli 1801. In: Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke, Band IV/2 Briefe 2, Mai 1801–Aug. 1807, 69–81, 73.

163 Das blitzartige Auftreten dieses ‚Amphitheaters‘ inmitten verschiedener Stücke und Erzählungen ist Gegenstand meines Aufsatzes: „Das größere Theater Kleists“, in: Jörn Etzold, Moritz Hannemann (Hg.), rhythmos. Formen des Unbeständigen nach Hölderlin, Paderborn 2016, 235–252.

164 Michel Foucault, Die Regierung der Lebenden. Vorlesungen am Collège de France 1979/80, Berlin 2014, 20.

165 An Johann Wolfgang Goethe, 24. Januar 1808. In: Heinrich von Kleist, Sämtliche Werke und Briefe, Münchener Ausgabe, 3 Bände. Auf der Grundlage der Brandenburger Ausgabe, hg. von Roland Reuß und Peter Staengle, München 2010, Bd. II, 896.

teilen:

Assoziationen

Neuerscheinungen im Verlag

Charly Hübner Buch backstage
Cover XYZ Jahrbuch 2023
Recherchen 162 "WAR SCHÖN. KANN WEG …"
"Scène 23"
"Zwischen Zwingli und Zukunft"
Recherchen 165 "#CoronaTheater"
"Die Passion hinter dem Spiel"
Arbeitsbuch 31 "Circus in flux"
"Passion Play Oberammergau 2022"
Recherchen 163 "Der Faden der Ariadne und das Netz von Mahagonny  im Spiegel von Mythos und Religion"
Passionsspiele Oberammergau 2022
"Theater der Vereinnahmung"
Recherchen 156 "Ästhetiken der Intervention"
"Theater unser"
"Pledge and Play"