Ausland
Zwischen Fischmarkt und Palazzo
Neapel sucht den Anschluss ans Welttheater
von Tom Mustroph
Erschienen in: Theater der Zeit: Frontmann Hamlet – Der Dresdner Musiker-Schauspieler Christian Friedel (03/2013)
Theater gibt es in Neapel an jeder Ecke. Einige der Burschen, die des Nachts in den schicken Bars des Nobelvororts Chiaia an einem Spritz nippen, haben ihr letztes Geld in iPhones und Kleidung angelegt, um mit ihren besserverdienenden Altersgenossen konkurrieren zu können. Kleider machen Leute – das ist Alltagswissen in der einstigen Königsresidenz. Die etwas Jüngeren, denen der Zugang zu den Bars noch verschlossen ist, ahmen auf den Straßen davor das testosteronträchtige Herumstolzieren nach, das sie sich bei Protagonisten diverser Mafia-Filme abgeschaut haben. Stil ist alles, auch wenn die innere Haltung so manches Adoleszenten zur Camorra vielschichtiger sein dürfte, als es die eigene Walk-Performance suggeriert.
„Neapel mag mehr Probleme als Vorzüge haben. Aber die Lust auf Theater und Gesang ist hier fest verwurzelt. In vielen Restaurants sieht man abends alte Männer musizieren. Sie mögen das gut machen, sie mögen es schlecht machen. Sie mögen es auch furchtbar schlecht machen, aber sie machen es – und das stirbt nicht aus“, meint Luca de Fusco. Der Intendant des größten Sprechtheaters der Stadt, des Teatro Mercadante, ist gleichzeitig Direktor des Napoli Teatro Festivals und will Letzteres auf Augenhöhe mit Avignon bringen und dabei die Arbeitsweisen großer Regiereisender wie Robert Wilson und Peter Brook...