Verdrängte Grausamkeiten
von Matthias Däumer
Erschienen in: Recherchen 127: Darstellende Künste im öffentlichen Raum – Transformationen von Unorten und ästhetische Interventionen (12/2017)
Assoziationen: werkgruppe2
I
Die Geschichte Blankenburgs, erbaut Ende des 13. Jahrhunderts als Dominikanerinnenkloster, ist eine Geschichte des Ausschlusses. Viele ungeliebte Minderheiten mussten hier „residieren“: anfangs Nonnen, von denen man bei manch einer vermuten kann, dass sie als unverheiratbar von ihren Familien abgeschoben wurde. Dann, seit der Säkularisierung des Klosters im 16. Jahrhundert, ein Armen- und Waisenhaus, später eine Stätte für Pest- und Typhuskranke, vom 18. Jahrhundert bis 1935 eine „Irrenbewahranstalt“ und ein „Siechhaus“, dann zwei Jahre ein SA-Arbeitslager. Den dunkelsten Schatten warf das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm über das Gemäuer: Einige der psychiatrischen Patienten, darunter achtzig „verhaltensauffällige“ Kinder, wurden 1941 ermordet. Nach dem Nazi-Regime wurde der Bau verschiedentlich genutzt: als Tuberkulose-Krankenhaus, städtisches Altenheim, geschlossene Psychiatrie und zuletzt als Aufnahmeeinrichtung erst für ausgereiste DDR-Bürger, dann für Geflüchtete aus aller Welt.
Wenn Dinge ein Gedächtnis hätten, wären die Steine Blankenburgs das Material einer schwarzen Seele, Inbegriff eines Vorwurfs, der aus der Vergangenheit noch heute einen jeden Einzelnen trifft, der es hinnimmt, dass Unliebsames in das gesellschaftliche Abseits gerückt wird. Doch Steine haben kein Gedächtnis, nur der Mensch – doch diesem ist das Erinnern steinerne Pflicht.
Die werkgruppe2 hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieser Menschlichkeit nachzukommen. Doch die Nutzung des Gebäudes wurde ihnen durch die beiden...