Trabanten, Vertraute, Ensembles
Zur Pluralisierung der dramatischen Rede im 18. Jahrhundert
von Juliane Vogel
Erschienen in: Recherchen 171: Nebenfiguren (11/2024)
Assoziationen: Theatergeschichte Dramatik
Trabanten
Der thebanischen Königin Dido stellt Pietro Metastasio, der berühmte Librettist der italienischen Gattung der Opera seria, in seiner Oper Didone abbandonata von 1743 eine Schwester mit dem sprechenden Namen Selene zur Seite. Dieser Name, der ins Deutsche übersetzt »Mond« bedeutet, bestimmt zugleich eine Position innerhalb eines planetarischen, eines sozialen und eines dramatischen Kosmos. Monde sind Teile eines Trabantensystems, das sich um eine leuchtende Mitte lagert. Sie bewegen sich in Abhängigkeit von einem Zentralgestirn, ohne das sie nicht existieren würden, das aber umgekehrt auf ihre Gefolgschaft und Hilfe angewiesen ist.1 In den Personenverzeichnissen klassizistischer Tragödien und höfischer Opern rangieren die in dieser Weise abhängigen Personen an nachgeordneter Stelle.2 In ähnlicher Weise wie Selene werden auch Namen wie Ismène3 oder Palamède,4 die bereits in der griechischen Mythologie im Schatten großer Namen auftauchen, für Trabanten verwendet. Selenen und Ismenen haben kein Eigenlicht. Sie empfangen es von den Helden – den figures principales oder premiers, in denen sich, wie Jacques Scherer in seiner Studie zur La dramaturgie classique en France bemerkt,5 der Glanz des in Erscheinung-Tretens konzentriert. Gesellschaftliche Abstufungen und dramatisches Gewicht werden in Lichtstärken gemessen, wobei es immer nur der Abglanz der figures principales ist, der...