Die Einladung, über die Perser des Aischylos und Bertolt Brechts Maßnahme gleichsam in einem Atemzug zu sprechen, wirkte zunächst nicht nur überraschend, sondern befremdlich. Auf den ersten Blick sind es zwei hochgradig unterschiedliche Stücke: unterschiedlich die Kulturstufen, aus denen sie stammen; unterschiedlich die Inhalte und Sprechweisen; unterschiedlich die Genres: das eine eine Tragödie, die den Charakter eines Trauerspiels annimmt; das andere ein modernes politisches „Lehrstück“ härtester Art. Aber je länger ich über die beiden Stücke nachdachte, desto reizvoller wurde mir der Gedanke einer vergleichenden Betrachtung eben unter den Kategorien „Lehrstück“ und „Trauerspiel“.
Brecht meinte mit dem Begriff „Lehrstück“, den er um 1930 einführte,1 zunächst einmal ein Stück, das den Mitwirkenden Gelegenheit bieten sollte, durch die theatralische Umsetzung der dichterischen Vorlage etwas zu lernen. An der Berliner Uraufführung der Maßnahme im Dezember 1930 waren neben vier Akteuren etwa vierhundert Mitglieder von Berliner Arbeiterchören beteiligt; sie bildeten einen fragenden, kommentierenden und schließlich urteilenden „Kontrollchor“. Zudem wurde das Publikum mit einbezogen. Über Fragebögen2 konnte es Stellung nehmen, und die Auswertung der Fragebögen führte zu Modifikationen in dem Stück, das nicht zuletzt deswegen in mehreren Fassungen vorliegt. Sie sind das Dokument eines Versuchs, im Theater gemeinsam zu lernen. Der Zweck des Ganzen...