Verschmitzte Klassennähe
FRAGment III
von Joachim Fiebach und Antje Budde
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Antje Budde: Du hast Castorf als einen deiner Studenten kennengelernt und konntest seinen Lebensweg verfolgen. Was würde dir einfallen als Wendepunkt oder Umbruchpunkte in seiner Entwicklung?
Hans-Joachim Fiebach: Ich glaube, der hat gar keine Umbrüche gehabt. Der Detje, der das Buch Castorf. Provokation aus Prinzip vorbereitete, hatte mit mir mal ein Gespräch über Castorf. Dem sagte ich: „Das ist ein Berliner Junge.“
Das bedeutet für mich diese kritische, absolut distanzierte, nüchterne Haltung, die dann aber noch mit einem Schuss von dem wunderbar Anarchischen versehen ist, was ich wunderbar finde. Leider konnte ich das nicht für mich persönlich anwenden, aber ich finde diese Haltung sehr gut.
AB: Spiegelt sich das in seinen letzten Inszenierungen wider?
HJF: Eigentlich ja.
AB: Bayreuth?
HJF: Bayreuth? Ich weiß nicht. – Bayreuth machen sie alle. Wahrscheinlich wird er dort auch wieder sein Ding versuchen.
AB: Wir haben festgestellt, dass du aufs Verschmitzte und nicht aufs Verschwitzte stehst. Wir haben des Weiteren festgestellt, dass es nicht der Berliner Junge an sich ist, dessen Verschmitztheit, und also nicht Verschwitztheit, du ebenfalls verkörperst, sondern eben auch der Berliner Junge, der aus dem Händler-Kontext kommt.
HJF: Weiß ich nicht.
AB: Castorfs...