Unbehagen an der bürgerlichen Ordnung
Weltausstellungen
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die Zeit zwischen ca. 1849 und 1875 nannte Hobsbawm DIE BLÜTEZEIT DES KAPITALS – also jene Spanne zwischen dem Jahr 1848, als Europa von Revolutionen (Preußen, Österreich-Ungarn, Frankreich) erschüttert wurde, und den 1870er und 1880er Jahren, als eine schwere (finanz-)wirtschaftliche Krise die explosiv-stürmische Entfaltung der zwei europäischen Grundvorgänge – des Siegeszuges des Kapitalismus und der industriellen Revolution – teilweise abbremste, doch entscheidende Grundbewegungen der ganzen Epoche nicht aufhielt: die gleichsam exponentiell wachsenden neuen wissenschaftlich-technologischen Entdeckungen und Erfindungen und deren industrielle Umsetzung, besonders im Kommunikationswesen, wie Eisenbahn, Telegraf, Anfänge des Telefons, und den seit der Jahrhundertmitte außerordentlich zunehmenden Reichtum der die Bewegungen vorantreibenen Bourgeoisie, dem zeitversetzt gegen Ende des Jahrhunderts auch die erhebliche Anhebung des Lebensstandards großer Teile der Unteren in den am weitesten industriell-kapitalistisch entwickelten Ländern (bis zu 40 Prozent) folgte.139
Hätte Europa noch im Zeitalter der Barockfürsten gelebt, so wären jetzt prunkvolle Maskenspiele, Festzüge und Opern an der Tagesordnung gewesen, in denen sich allegorische Darstellungen des wirtschaftlichen Triumphes und des industriellen Fortschritts zu Füßen ihrer Beherrscher drapierten. Tatsächlich hatte die triumphierende Welt des Kapitalismus ihr Gegenstück dazu. Den Auftakt zur Ära ihres weltweiten Sieges und zugleich deren Zäsuren bildeten – als gigantische neue Rituale der...