Theater der Zeit

Wie wir uns sprechend einander aussetzen

von Viola Schmidt

Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)

Ebenso wie die Stimme ein physisches und physikalisches Phänomen ist, so ist sie immer auch ein psychisches Phänomen. Körper und Bewusstsein sind in ihr untrennbar verbunden. Sie macht uns als Person kenntlich. In der Stimme kehren wir unser Inneres nach außen. Stimme und Stimmung teilen sich in der deutschen Sprache den Wortstamm. Gleichzeitig ist die Stimme Teil unseres sozialen Körpers. Sie lässt erkennen, wie wir uns als Sprecher im Raum der sozialen Interaktion positionieren. Das betrifft unsere Einstellungen und unsere Haltungen. Die Überschneidungen, die sich hier andeuten, sind unübersehbar. Wie viel Individualität steckt im sozialen Körper, wie viel Sozialität im individuellen? Und wie viel Raum nimmt der jeweilige Anteil im Stimmklang ein? Spiegelt die Stimme, wer wir sind oder wer wir zu sein vorgeben, uns wünschen zu sein, lieber nicht wären? Wer die Stimme erhebt, ist diesen Fragen ausgesetzt. Ebenso wie wir uns im Stimmklang von innen nach außen kehren, unseren Standpunkt in der Welt preisgeben und von unserer Gestimmtheit künden können, so ist es uns auch möglich, all das zu verstecken. Dann bedienen wir Konventionen, verhalten uns höflich, diplomatisch oder angepasst, unterdrücken einen spontanen Impuls oder heucheln Interesse, wo wir in Gedanken ganz woanders sind. Als Hörer sind wir...

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