Mit dem Bollerwagen in die Utopie
von Matthias Däumer
Erschienen in: Recherchen 127: Darstellende Künste im öffentlichen Raum – Transformationen von Unorten und ästhetische Interventionen (12/2017)
Assoziationen: Futur3
I
Am Gittertor zum Gelände hängt ein Schild: „Bitte Tor geschlossen halten“. Gewöhnlich, denkt man, sich zunächst auf genauso bekanntem wie unliebsamen Schrebergarten-Terrain vermutend. Doch der Satz geht weiter: „wegen dem Schwein. (Ja, es gibt hier ein Schwein!!)“ Schon erkennt man, dass das zu Erwartende wohl doch nicht ganz so unliebsam werden könnte. An der Schranke begrüßt Rolf Ketan Tepel, der Hausherr, das Publikum und lädt ein ins ParaDies. Ketan sieht in seinem weißen Sommeranzug, mit dem lachfaltigen Gesicht und dem Vollbart ein wenig aus wie eine paradoxerweise ebenso geerdete wie esoterische, eben eine echte Variante des Dude.1 Seine Künstlerresidenz ParaDies steht diesem erdig-esoterischen Charakter in nichts nach: ein ehemaliges Brachland, das Ketan vor achteinhalb Jahren zu bebauen anfing. Heute ist es ein Sammelsurium aus verschiedensten Bepflanzungsflächen, verwinkelten Wegen durchs Grün. Dazwischen Holzhäuser, eines ganz im Stil eines Saloons, ein wenig weiter ein abgebrannter Planwagen mit einem offenen Klavier darauf, was das Westernflair abrundet. Eine Grünfläche mit kleinem Amphitheater unter einer alten Eiche erweckt den Anschein, als müsste man hier von Arkadien, dem Unort der antiken Idyllendichtung, erzählen.
Das ganze Areal ist voller Kunstwerke, optischer Fall- und Steigstricke: eine Hütte voller Porträtfotos mit Berufs- oder vielmehr Berufungsbezeichnungen, tibetanische...